Fachwerk an der Lahn (3) - Wetzlar

So, welches Städtchen fehlt mir denn jetzt noch oder besser, auf wessen Spuren könnte ich mich denn noch begeben?

 

Wetzlar liegt perfekt auf dem Heimweg und da war der gute Goethe unterwegs und hat sich inspirieren lassen, seine "Leiden des jungen Werther“ zu schreiben. 

auf den Spuren von Goethe

01.11.2017

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Die Hessenbahn ist pünktlich und bringt mich in nur 30 Minuten ans Ziel.

 

Wetzlar liegt ja ebenfalls an der Lahn und somit an der Handelsroute Frankfurt Köln.

So ist es kein Wunder, dass sich auch hier bereits früh Menschen ansiedelten. Doch es sah nicht immer rosig aus für die Stadt.

1180 bekam sie durch Kaiser Barbarossa die Stadtrechte und entwickelte sich rasch zur Reichsstadt. Im späten Mittelalter war es dann erst mal vorbei mit dem Wohlstand.

Die Aufnahme von Glaubensflüchtlingen 1586 brachte zwar nicht die Wende, aber wohl doch Arbeitsplätze, denn die Zuwanderer bauten neue Wohnhäuser.

Richtig ab ging es dann, als das Reichskammergericht seinen Sitz nach Wetzlar legte. Die Herren Juristen und Adeligen hatten Geld und bauten sich vornehme Palais. Gäste kamen und Wirtshäuser mussten her. Doch von Dauer war das ebenfalls nicht.

1806 wurde das Reich aufgelöst und man brauchte kein Reichskammergericht mehr. Kein Gericht, keine Juristen, keine Adeligen und schon ist die Stadt wieder arm. Das änderte sich ein letztes Mal mit der Industrialisierung im 19. Jhdt, doch so richtig reich und wohlhabend wirkt die Stadt heute nicht mehr auf mich.


 

Einen kleinen Schlenker durchs Rosengärtchen gönne ich mir aber doch. Zu Goethes Zeiten war hier noch ein Friedhof, auf dem auch Karl Wilhelm Jerusalem beerdigt wurde. (zu dem komme ich aber später noch)

Friedhof ist ein gutes Stichwort, denn von hier geht es schnurgerade Richtung Dom.

Vom Bahnhof ist ein Stückchen zu laufen bis zur eigentlichen Altstadt. 

Die war einst von einer dicken Stadtmauer umschlossen. Fünf Tore führten hinein und von neun Türmen hielt man Ausschau. Leider ist von der Pracht nicht mehr viel erhalten, nur der Altstadtgrüngürtel erinnert noch daran. Dem könnte ich jetzt 2 Kilometer lang um die Altstadt folgen. Dazu fehlt mir aber die Zeit und außerdem möchte ich doch lieber altes Fachwerk bestaunen.


Wirklich schön und harmonisch wirkt der Wetzlarer Dom auf mich nicht. Der scheint irgendwie unfertig und das ist er auch. Irgendwie fehlt da ein Turm und wozu gibt es ein Portal, wenn man nicht hinauf kommt?

 

Hätte aber auch nichts gebracht, denn hinter der Fassade ist nichts. Nur leerer Raum und eine weitere Fassade. Da ist wohl der Kirche irgendwann das Geld ausgegangen.

 

Als man mit dem Bau begann, stand da bereits eine romanische Basilika. Die wollte man aber nicht; ein mächtiger Dom sollte her. Die Idee war nun, die alte Kirche stückweise abzubrechen, um den Dom zu bauen. So konnte man die Kirche trotz Baustelle weiter nutzen. Eigentlich clever gedacht, nur dumm, dass es im 14.Jhdt zur Finanzkrise kam und kein Geld mehr floss. 

Von da an ging es nicht mehr so richtig voran. Immer wieder fehlte Geld und jahrzehntelang wurden die Bauarbeiten eingestellt. Wenn dann doch mal wieder gebaut wurde, hatten die Bauherren garantiert eigene Ideen oder ein anderer Stil war gerade Mode.

Was mir aber gefällt, sind die vielen Tierfiguren am heutigen Hauptportal. (Na, den Drachen schon entdeckt?) 

 

 

Daneben gibt es auch Engel und einen Teufel. Doch was macht der da?

Der umschlingt einen Juden. 


Das kann man schon als Beleidigung und Herabwürdigung ansehen und war auch so gedacht.

Soviel zu den Lehren der christlichen Kirche.

 

 

 

So ein Dom ist jetzt natürlich viel größer als eine romanische Basilika. Dumm nur, dass man zur Erweiterung Teile des alten Friedhofs brauchte. Auf dem verbliebenen Stück Kirchhof war aber nicht genügend Platz für neue Bestattungen. Was nun? Man errichtete einfach eine Kapelle und nutzte sie als Beinhaus. Brauchte man Platz für ein neues Grab, wurden die Gebeine aus einem alten umgebettet. Bisschen umständlich finde ich das schon.

 

Eine Polizeistation gehört ebenfalls an einen solchen Ort. Man musste ja für Zucht und Ordnung sorgen. Diese stammt aber aus preußischen Zeit und wurde bis 1972 als solche genutzt.

Was fehlt denn jetzt noch an einem solchen Platz? Na klar, die Post. Gleich um die Ecke, auf dem Fischmarkt befand sich einst ein weiteres Gasthaus. Weit bekannt war der "goldene Löwe“ im 18.Jhdt. Ob es daran lag, dass der Wirt auch Posthalter war? 

Der Domplatz war schon immer Treffpunkt der Stadt. Wo sich heute Touristen treffen, stand im Mittelalter ein Kaufhaus. Hier konnten die städtischen Handwerker ein Gütesiegel für ihre Arbeiten erhalten und durchziehende Händler mussten dort ihre Waren versteuern.

 

 

  

 

Doch was wäre ein Domplatz ohne Gastwirtschaft. Das wusste auch Goethe zu schätzen, denn er war regelmäßig im Gasthaus "zum Kronprinzen“ anzutreffen.

 

Ich stehe nicht so auf Frühschoppen und erobere lieber die Gässchen rund um den Platz.

Vom Reichskammergericht und dem damit verbundenen Reichtum für die Stadt habe ich ja schon berichtet. Hier, im Rathaus der Stadt, hatte es seinen Sitz.

 

 

 

Gegenüber liegt die Haupt-Apotheke. Kein so spektakuläres Gebäude. Kein Wunder, denn wie in vielen deutschen Städten, wütete auch hier ein großer Brand, der dieses Gebiet fast vollständig zerstörte. 


Mir gefällt auch die "Schwanen“ Apotheke um die Ecke viel besser. Heute dient das Haus anderen Zwecken, aber an der Schlange, die sich dekorativ um die Stange windet, erkennt man doch den alten Zweck.

Durch die Krämergasse mit ihren alten Häusern geht es zum Eisenmarkt. 

und eine weitere ehemalige Apotheke.

Die müssen aber viele Wehwehchen gehabt haben damals.

Dort steht das Haus "zur alten Münz“ (Na, irgendwo musste das Geld ja herkommen.)

 


So richtig überzeugt hat mich die Stadt Wetzlar bis her noch nicht. Mal schauen, ob der gute Goethe das ändern kann. 

Auf meinem weiteren Weg durch die Stadt entdecke ich dieses Wandgemälde.

 

Kommen wir noch mal zum Reichskammergericht zurück. Das war das höchste deutsche Gericht und welcher angehende Jurist hätte nicht hier sein Praktikum machen wollen?

So auch Goethe. Der kam im Juni 1772 in die Stadt und fand die gar nicht so toll. (da haben wir ja sogar was gemeinsam) 

Auch waren ihm die juristischen Studien zu trocken oder er hatte einfach keinen Bock auf Jura. Jedenfalls traf es sich viel lieber mit anderen jungen Juristen zum Mittagstisch im bereits erwähnten Gasthaus "zum Prinzen“ und begann das Schreiben. 

Auf einem Ball lernte er Charlotte Buff erst kennen und später lieben.

Die lebte in der Niederlassung der Deutschordensritter. Ihr Vater war der Deutschordensamtmann, die Mutter leider früh verstorben, sodass Charlotte sich um ihre 12 Geschwister kümmerte.

Doch ein Happy End wäre ja zu einfach gewesen und dann gäbe es "die Leiden des jungen Werther“ wohl kaum. Seine Angebetete war nämlich bereits verlobt und für ihn unerreichbar. Das trägt nicht unbedingt dazu bei, seinen neuen Wohnort zu lieben und so verließ er Wetzlar nach nur drei Monaten.

Ja, ja, wo die Liebe hinfällt. Auch sein Freund Karl Jerusalem hatte sich unglücklich in eine verheiratete Frau verliebt. Er jedoch wählte den Suizid zur Lösung seines Problems. Davon erfuhr Goethe, als er bereits in Frankfurt weilte. Ob ihm sein Werk "die Leiden des jungen Werther“ wohl geholfen hat, über diese Schicksalsschläge hinwegzukommen? Jedenfalls hat er beide Vorkommnisse zu einem Werk verwoben.

Was haben wir bisher über Wetzlar gelernt (außer das Goethe hier unglücklich verliebt war) 

Genau, Wetzlar war eine Stadt an der Handelsroute und viele Fremde kamen hier durch. Das Reisen war damals nicht so einfach, denn viele Grenzen mussten passiert werden. Ich gehe aber mal davon aus, dass dazu früher kein Visum erforderlich war. Viele der alten Grenzsteine sind heute noch erhalten. Leider konnten sie nicht immer an ihren Originalplätzen verbleiben und so gibt es in der Nähe der Stadthalle eine kleine Sammlung zu bestaunen.

Hier steht auch der einzige verbliebene Turm der Stadtmauer, der Säuturm. Eigentlich war es ja der Schneiderturm, denn die lebten in diesem Teil der Stadt und waren zuständig für Erhalt und Verteidigung diesen Abschnitts. Woher dann aber der Name Säuturm? Nun, außerhalb der Stadtmauer waren die Weiden für die Schweine. Damit man sie jetzt nicht immer durch das nächste Tor treiben musste, baute man neben dem Turm eine Pforte und schon wurde aus dem Scheider- ein Säuturm.

 

 

 

 

 

 

  

Nun geht es schnurgerade aus zum Kornmarkt. 

Hier war auch Goethe während seiner kurzen Zeit in der Stadt zuhause.

 

Ebenfalls am Platz das Ball- und Gasthaus "Zum römischen Kaiser“.

Ob die beiden sich dort beim Tanz wohl näher gekommen sind?

 

Wohl aber die Hospitalkirche. Im Mittelalter befand sich hier das Hospital zum Heiligen Geist. Durchreisende Pilger fanden hier ein Bett und den Armen gewährte man Asyl.   

Mit einem letzte Blick auf die Stadt verabschiede ich mich von Wetzlar und trete die Heimreise an.

Hier mag wohl auch die tragische Liebesgeschichte ihren Ursprung haben. Im Eckhaus wohnte seine Großtante und die war es, die Goethe mit der Familie Buff bekannt machte.

Letzter Stopp für heute dann die Lahn. Wetzlar lag ja auch an der alten Handelsroute Frankfurt – Köln. Da durfte eine Lahnbrücke nicht fehlen, um Zölle zu kassieren und die Händler in die Stadt zu holen. Die alten Tortürme gibt es aber schon lange nicht mehr. 


Luther, Goethe und die Gebrüder Grimm, sie alle waren an der Lahn unterwegs.

Gefallen hat es dort keinem, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Zu Recht oder zu Unrecht? Was meint ihr?

Mein Fazit: obwohl Marburg immer so hervorgehoben wird, ist mein Favorit eindeutig Limburg.