Schokolade im Ländle

Tübingen kenne ich als Unistadt, aber mit Schokolade hätte ich die Stadt nie in Verbindung gebracht.  Dabei hat sie durchaus eine schokoladige Vergangenheit, soll doch hier im Café Walz die berühmte Schwarzwälder Kirschtorte das Licht der Welt erblickt haben. 

 

 

 

Da liegt es doch nahe, einmal im Jahr (vorzugsweise in der Adventszeit) ein Schokoladenfestival abzuhalten. An sechs Tagen bringen 100 Chocolatiers über 80 Tonnen Schokolade unters Volk und mehrere tausend Becher Trinkschokolade gehen über den Tresen. Das will ich mir natürlich nicht entgehen lassen. 

Vom Bahnhof laufe ich nur ein kurzes Stück, bis ich den Neckar erreiche. Der ist hier nicht wirklich breit und mitten drin gibt es sogar eine Insel mit einer wunderschönen Platanenallee. Die lädt ja geradezu zu Spaziergängen ein und wenn es im Frühjahr wieder etwas grüner und wärmer wird, ist sie ein perfekter Treffpunkt für verliebte Pärchen.

 

 

 

  

Auch die Stadt Tübingen präsentiert sich hier von ihrer Schokoladenseite, womit wir schon beim Thema wären.

 

Mein Blick fällt auf die Stiftskirche und die Häuser aus dem 16.Jhdt. Manche von ihnen wurden direkt auf die innere Stadtmauer gebaut. 

Gleich hinter der Brücke, am anderen Neckarufer geht es durch schmale Gassen bergauf. Dabei komme ich an einem wunderschönen Haus vorbei.

 

 

 

 

Die Fassade sieht doch fast wie ein Schokoladengemälde aus oder etwa nicht?


Nur noch wenige Schritte bergauf und ich stehe bereits am Anfang der süßen Versuchungen. Wie schön, dass man hier überall testen kann, da fange ich doch gleich mal mit den flüssigen Schokovarianten an:

die Likören schmecken nach mehr (viel mehr),

 

 

und der Schokoladenglühwein schmeckt eindeutig zu wenig nach Kakaobohne.

Bier habe ich noch nie gemocht und daran ändert auch der Zusatz Schokolade nichts


Das war jetzt noch nicht so überzeugend. Da wende ich mich doch mal den Chocolatiers zu, die ihre verschiedenen Schokoladenkreationen in riesigen Talern präsentieren. Nun habe ich wirklich die Qual der Wahl. Welche der vielen Sorten will ich probieren und vielleicht auch kaufen? Ich steh ja voll auf weiße Schokolade, deshalb muss es selbige sein. Ja, ich weiß, die ist nicht gesund – aber lecker und die Früchte darin machen sie immerhin etwas gesünder. Man muss nur daran glauben.

Durch die engen Gassen der Altstadt arbeite ich mich langsam vor. Es ist erst Mittag und noch nicht so voll. Jetzt kann man noch genüsslich bummeln und sich in aller Ruhe umschauen, was die Chocolatiers so anzubieten haben.

Vieles kennt man ja aus dem Supermarkt. Hier ist aber natürlich edlere Schokolade verarbeitet und viele Kreationen gehen weit über den üblichen Weihnachtsmann oder Engel hinaus. Selbst aus Marzipan lässt sich so einiges zaubern. Es gibt sogar die bekannten Maultaschen, gefüllt mit Nougat. Leider waren die so lecker, dass sie es nicht mehr bis auf ein Foto geschafft haben. 

Von überall in der Stadt kann man ihn sehen, den mächtigen Turm der Stiftskirche. Stolze 56 Meter ist er hoch und doch wurde er nie vollendet. Ob der Kirche da wohl mal wieder das Geld ausgegangen ist?

Kalt ist es inzwischen geworden. Nicht, dass Kirchen jetzt etwa dafür bekannt wären, dass sie im Inneren kuschelig warm sind. Schon gar nicht so ein mächtiges Bauwerk wie diese hier, aber ein paar Grad mehr sind es dann doch und ein Besuch lohnt sich nicht nur deswegen.

Der Chor wurde 1550 dazu bestimmt, hier die steinernen Gräber der württembergischen Herzöge aufzunehmen. Diese kann man heute noch bewundern. Mich haben aber der Flügelaltar und die wunderschön verzierten Chorgestühle mehr begeistert.

 

Nachdem ich die Kirche wieder verlassen habe, stehe ich auf dem Holzmarkt. Von dem ist aber heute nicht allzu viel zu sehen, denn überall stehen die weißen Zelte und locken mit leckerer Schokolade. Mitten drin der Georgsbrunnen. Den heiligen Georg findet man auch an der Stiftskirche, ist er doch ihr Patron. 


Im letzten Jhdt wurde hier noch mit Holz gehandelt und im Mittelalter trafen sich die Töpfer und

Kupferschmiede, um ihre Ware unters Volk zu bringen.

Wie gut, dass sich heute alles um Schokolade dreht. Schokoladenfiguren habe ich ja schon einige entdeckt, aber was es hier an einem der Stände gibt, fasziniert mich dann doch sehr. Die Werkzeuge sehen auf den ersten Blick fast wie echt aus. Oder wie wäre es mit einem Handtäschchen oder einem Paar neuer Schuhe?

Eigentlich sind die Kunstwerke viel zu Schade zum Essen und mir ehrlich gesagt auch zu teuer. Schokolade zum Vernaschen finde ich anderswo günstiger und für die Vitrine taugen sie eigentlich auch nicht.

Also lieber schnell weiter, bevor ich es mir doch noch anders überlege.

Auf dem Weg zum Marktplatz erblicke ich einen Schokoladenbrunnen. Nein, eigentlich sogar drei.

Einen für jeden Schokogeschmack, von dunkler bis weißer Schokolade. Eigentlich liebe ich ja Schokospieße. Diese werden aber vor den Augen der Käufer in die Schokolade gehalten, so dass diese gar nicht die Chance hat auszuhärten. Das ist mir in diesem Gedränge dann doch eine zu klebrige Angelegenheit.


Die schokoladigen Chili mit ihrer leuchtend roten Farbe lachen mich schon an, aber irgendwie traue ich mich nicht ran und bewundere sie lieber aus der Ferne.

Inzwischen wird es nämlich immer voller; die Busse sind wohl inzwischen angekommen und haben ihre kaufwütige Fracht ausgespuckt. Die engen Gassen zwischen den Plätzen tun ihr übriges und erschweren ein Vorankommen. Schade, denn jetzt kann ich nicht mehr lässig von einem Stand zum nächsten schlendern, sondern muss mir schon einen Platz in der ersten Reihe erkämpfen.

An einem der nächsten Stände macht das sogar Sinn. Hier ist eine Künstlerin am Werk, die mit Schokolade malt. Richtig toll sind die großen Kugeln. Ich frage mich nur, wie lange das hält. Solche Bilder sind doch sicher nicht für die Ewigkeit und man hängt sich die doch nicht ins Wohnzimmer, oder doch? 

Noch ein mal heißt es Gedränge und Geschiebe und dann bin ich in Tübingens "guter Stube“, dem Marktplatz angelangt. Gehandelt wurde hier bereits seit 1191, die hübschen Häuser, die ihn einrahmen stammen aber aus dem 15. und 16.Jhdt.

Den wunderschönen Neptunbrunnen in der Mitte kann ich mir leider nicht genauer betrachten, denn auch dieser Platz ist vollgestopft mit weißen Zelten. Gedränge herrscht hier fast noch mehr, als in den Gassen, finden sich hier doch einige der wenigen Stände, die für leibliches Wohl sorgen. Und ich meine jetzt die herzhaften Varianten und nicht die Schokolade. Zweitere gibt es hier selbstverständlich auch zu bewundern und ich habe auch gleich einen weiteren Lieblingsstand entdeckt. Dort gibt es auch herzhafte Dinge, aber gefertigt aus Schokolade.

Das schönste und älteste Haus am Marktplatz ist ohne Zweifel das Rathaus. Im Mittelalter befand sich hier eine Arkadenhalle, wo es Brot und Wurstwaren zu kaufen gab. Außerdem fand man dort das städtische Salzlager und ein Gefängnis. 

 

Schon von weitem kann man sie sehen, die astronomische Uhr am hölzernen Turm. Noch heute zeigt sie zuverlässig Datum und Mondphasen, aber auch die nächste Sonnenfinsternis an. 

 

Bacchus, den Weingott kennt wohl jeder und früher hatte der Weinbau auch eine größere Bedeutung für die Stadt. Zu finden ist der alte Bacchus hier aber nicht, sondern eine Bacchantin. So nennt man die Anhänger des Gottes. Die haben wohl des Öfteren ihrem Gott zu sehr gehuldigt und ein Gläschen zu viel getrunken. Da reißt man sich auch schon mal die Kleider vom Leib.


Inzwischen sind nun gefühlt sämtliche Einwohner der näheren und weiteren Umgebung hier eingetroffen. Teilweise kommt man echt nur mit Geschubse und Drängeln durch.

Ich würde mich ja jetzt auf den Heimweg machen, da ich eigentlich alles gesehen habe, aber noch ist es nicht dunkel und die

beleuchteten Häuser am Marktplatz möchte ich unbedingt noch sehen.

Hier in der Altstadt fühle ich mich in dem Gedränge aber nicht wohl und in Ruhe schauen kann man schon lange nicht mehr. Ich beschließe also einen Abstecher zum Schloss zu machen. Das Wetter ist so super, da hat man bestimmt einen tollen Blick auf die Stadt.

Durch enge Gassen geht es steil nach oben. Schließlich liegt das Schloss ja 372 Meter hoch. Ob es deshalb wohl Hohentübingen heißt? Man muss schon genau hinschauen, wo man hintritt, sonst sorgt der Schnee, der hier oben noch liegt, für eine unfreiwillige Rutschpartie. Doch ich komme unbeschadet am Schlosstor an und kann die Aussicht genießen.

Im 12. Jhdt lebten hier oben die Herren von Tübingen. 1342 waren sie so verschuldet, dass sie den Renaissance-Bau samt Stadt los werden wollten und beides an die Grafen von Württemberg verkauften. Seit 1816 gehört das Schloss der Universität. Übrigens gilt sei 1817 der Nordostturm als kartographischer Nullpunkt von Württemberg.

Bin ich froh, dass es zur Zeit bereits um 16:45 Uhr dunkel wird. Bis dahin ist es aber noch eine gute Stunde. Ein letzter Glühwein muss mich jetzt wärmen, bis um punkt 17:00 Uhr die Häuser am Marktplatz erleuchtet werden. Obwohl ich jetzt eiskalte Füße habe, finde ich, es hat sich gelohnt.

Mein Fazit für den heutigen Tag: die ChocolArt in Tübingen ist wirklich einen Besuch wert. Wenn man aber in Ruhe schlendern und verkosten möchte, sollte man früh da sein oder vielleicht an einem der Werktage kommen. Samstags ab 15:00 Uhr macht es nicht mehr wirklich viel Freude.