Wie kommt man auf die Idee sich ein Schloss in Weikersheim anzuschauen?
Weil es besonders schön ist? (nein)
Weil es in der Gegend liegt und man nichts besseres zu tun hat? (nein)
Weil man noch einen freien Eintritt hat, der demnächst verfällt? (jein)
Warum es mich wirklich dort hin zieht, ist die einzigartige Zwergengalerie im Schlosspark. Was die da
zu suchen hat? Findet es heraus.
bei den sechzehn Zwergen
29.04.2017


Ich entscheide mich für ein Baden-Württemberg-Ticket, denn damit kann ich für 23.00 € den ganzen Tag durchs Ländle fahren.
Bin dafür mit Bus und Bahn aber auch knapp 4 Stunden unterwegs. Man will ja schließlich was für sein Geld bekommen. Wenn ich bedenke, dass ich mit dem ICE in der
gleichen Zeit schon fast in Hamburg wäre..

Irgendwann kommt dann aber mein Bummelzug auch in Weikersheim an. Vom Bahnhof ist es nicht weit bis zum Marktplatz und dem Schloss.

Trifft man im östlichen Baden Württemberg auf ein Schloss, kann man fast sicher sein, dass ein Hohenlohe dahinter steckt. Diese Adelsfamilie hat sich im ganzen Land ausgebreitet und jeder brauchte ja ein Schloss (oder auch zwei oder drei..)
So auch Graf Wolfgang II, der 1586 die Herrschaft Hohenlohe-Weikersheim erbte. Damals war das noch eine Wasserburg, aber man wollte ja ein Renaissance-Schloss. Also wurde kräftig umgebaut.
Man entschied sich damals für ein dreieckiges Schloss, eine eher seltene Grundrissform. War es, weil man Teile der alten Burg nutzte oder wollte man einfach nur etwas haben, was einen von den anderen Hohenlohern unterschied.

In dieser Zeit entstand auch der prächtige Rittersaal. Leider ist fotografieren im Schloss verboten, deshalb hier nur eine Beschreibung. 40 Meter ist der Saal lang und das ganz ohne stützende Säulen. Die Decke ist ein Meisterwerk. Hier reiht sich ein Gemälde neben das andere und alle zeigen Jagdszenen. Darunter auch die Jagd auf Elefanten, Löwen und Bären. Dafür, dass der Künstler diese Tiere niemals zu Gesicht bekam, sind sie ihm ganz gut gelungen. (Auch wenn ich einen Löwen nicht mit den Händen fangen würde)
Wie kann es aber sein, dass dieses riesige Kunstwerk ohne Stützen auskommt. Es scheint ja über uns zu schweben. Und das tut es auch tatsächlich, denn es ist am Dachstuhl aufgehängt.
Ähnlich clever ist auch die Lösung für den riesigen Kronleuchter. Wie bitte kann man denn die oberen Kerzen anzünden? Hat man vielleicht Affen dort hoch geschickt? Wäre vielleicht nicht so gut ausgegangen.
Auch der Kronleuchter hängt mittels eines Seilzuges am Dachbalken – auf der einen Seite der Leuchter, auf der anderen Seite ein Korb voller Steine. Leert man jetzt den Korb, senkt sich der Leuchter ab und man kann (mehr oder weniger) bequem die Kerzen anzünden. Dann wird der Korb wieder gefüllt und der Leuchter schwebt in die Höhe. Genial, oder?
So ein toller Rittersaal gehört natürlich auch standesgemäß eingeweiht und so baten Graf Wolfgang II und seine Gemahlin zum Fest auf Schloss Weikersheim. Doch warum gibt der Markgraf von Baden-Baden sich nicht die Ehre? Hatte man den etwa verärgert?
Keinesfalls. Der hatte sich nur gewundert, warum er eine Einladung erhielt, deren Termin schon vorbei war. Wie kann das denn sein? Ja, das kommt, wenn man mit unterschiedlichen Kalendern lebt.
Wie vielleicht bekannt, hatte sich die Ungenauigkeit des Julianischen Kalenders in Jahre 1582 auf 10 Tage aufsummiert. Der Papst entschied kurzer Hand einfach mal diese 10 Tage zu streichen und führte den Gregorianischen Kalender ein. Doch vielen protestantischen Herrschern passte das gar nicht und sie behielten den alten Kalender bei. Dumm, dass der Markgraf im katholischen Baden-Baden wohnte und somit das Fest verpasste.
Im 18. Jhdt lebten dann Graf Carl Ludwig und Ehefrau auf Schloss Weikersheim und bauten es zur barocken Residenz um. Aus dieser Zeit stammt auch der Barockgarten mit seinen vielen Figuren und den werden wir uns jetzt genauer anschauen.
Von der Schlossterrasse aus hat man einen besonders guten Überblick, denn der Garten liegt tiefer als das Schloss.

Vorher aber noch ein Blick aufs Schloss. Was fällt uns da auf? Ja, ich meine die kleinen Löwenköpfe, die man an verschiedenen Stellen entdecken kann. Na, wozu sind die dort wohl angebracht? Schmuck ist es keiner, eher eine Art Lüftung. Aber die hatten doch Fenster und die ließen sich auch öffnen. Des Rätsels Lösung: hinter diesen Löwenköpfen befanden sich die Toiletten des Schlosses.

Ob das wohl noch mit der Vergangenheit als Wasserburg zu tun hat? Zumindest würde das den tiefen Graben erklären, den wir erst mal überqueren müssen.


Wir wenden uns jetzt aber dem Garten zu. Am Ende der Brücke treffen wir auf die berühmte Zwergengalerie des Schlosses. Solche großen Zwerge sind in Schlossgärten eher selten anzufinden.
Als Hofpersonal waren sie im 18.Jhdt aber keine Seltenheit. Auf die Würde des Menschen wurde damals nicht so viel gegeben und die hohen Herrschaften amüsierten sich über diese Menschen.
Hier hat man ihnen immerhin eine Art Denkmal gesetzt. Angeblich sind es keine Porträts realer Personen, aber wenn ich mir die verschiedenen Gesichter so betrachte, glaube ich da nicht wirklich dran.
Der Schlossgarten von Weikersheim ist ziemlich typisch für einen Barockgarten. Hier finden sich alle Elemente, die einen solchen ausmachen (und zwar bitte immer schön symmetrisch) :
Rasen und ornamentale Kiesfelder,

beschnittene Bäume (wobei man über die Form streiten kann)


bepflanzte Rabatte,

und Wasserspiele.

Mittendrin der Herkulesbrunnen mit dem wasserspeienden Drachen. Hier ist es mal nicht Siegfried, der das arme Tier erledigt, sondern Herkules. Nach der Sage bewacht der Drache den Garten Hesperiden, wo die Äpfel der Unsterblichkeit wachsen. Kein Wunder, dass der gute Carl Ludwig diesen Brunnen hier aufstellen ließ. Strebte er doch wie alle Herrscher nach Unsterblichkeit und ewigem Ruhm. Vielleicht hätte er sich besser den Drachen zum Freund gemacht.
Diese Wasserspiele gehörten zwar in jeden anständigen Barockgarten, aber sie zum Sprudeln zu bekommen war gar nicht so einfach, denn Wasserleitungen waren noch keineswegs Standard. Folglich musste erst mal ein Leitungssystem und ein höher gelegener See her, denn auch die Pumpen waren noch nicht sehr leistungsfähig. Kein Wunder also, dass die Fontänen nur bei Festen in Betrieb waren. Danach war das Reservoir nämlich leer. Alles nur Show.
Natürlich dürfen auch Figuren im Barockgarten nicht fehlen. Hier sind es die Götter, die auch gleichzeitig Planeten symbolisieren, wie Diana als Mond, Venus, Mars, Jupiter, Merkur und Saturn.

so mancher ist auch von hinten recht nett anzusehen.
Sixpack darf dabei nicht fehlen und

So ein anständiger Garten braucht auch exotische Pflanzen. Die sind aber anderes Klima gewöhnt und so besaß jedes Schloss auch eine Orangerie, wo die Exoten überwintern konnten.

Das war aber nicht einfach so ein olles Gewächshaus, sondern ein repräsentativer Abschluss des Gartens. In Weikersheim ist die Orangerie 100 Meter lang, mit Säulen, Steinfiguren und großen Fenstern. Einst stand sogar eine vergoldeter Reiterstatue Carl Ludwigs dazwischen. Perfekt in Szene gesetzt Herr Graf, würde ich sagen.
Der Wettergott meint es nicht allzu gut mit uns heute. Es fängt immer wieder an zu tröpfeln. Der Fahrplan der deutschen Bahn ist aber leider auch gegen uns, denn der nächste Zug fährt erst in zwei Stunden. Was tun? Ein Blick über den Marktplatz und die Sache ist klar. Eis geht immer.
Die Nacht verbringen wir im nahe gelegenen Bad Mergentheim. Für einen Stadtbummel ist es aber bereits zu spät und auch zu feucht.

ein traumhaftes Treppenhaus
30.04.2017


Wie immer werden wir auf dem Heimweg noch einen Stopp einlegen. Nicht weit entfernt liegt Schöntal mit seinem Kloster. Wenn man aber auf den Personennahverkehr an einem Sonntag angewiesen ist, können auch 32 Kilometer zur Challenge werden. Dafür habe ich den Bus ganz für mich alleine und auch das Umsteigen klappt. 1 Stunde später stehe ich vor Kloster Schöntal.

Wie eigentlich jedes Kloster, das ich in dieser Gegend bereits besucht habe, hat auch Kloster Schöntal seine Gründungslegende. Eigentlich sollte es im südlich gelegenen Neusaß gebaut werden.
Als sich jedoch Wolfram von Bebenburg (der hatte das Geld) und drei Mönche sich den Bauplatz ansahen, stand plötzlich ein alter Mann da. Der sprach von einem schönen Tal bergabwärts und verschwand. Kann man sich ja mal anschauen, dachte sich Wolfram wohl und siehe da, der Platz war viel geeigneter, denn hier ermöglichte ein Fluss die direkte Wasserversorgung. Das Gelände dort stellten übrigens die Herren von Berlichingen zur Verfügung. Dafür durften sie sich im Kreuzgang ein Plätzchen für ihr Grab aussuchen.

Heute ist es das besterhaltene Kloster in Nordwürttemberg. Zu verdanken haben wir das sicher auch Abt Benedikt Knittel, der das Kloster Anfang des 18: Jhdts im barocken Stil umbauen ließ. Das widersprach so ganz der einfachen Bauweise der Zisterzienser, aber wer das Geld hat, hat das Sagen.
Wer so protzt, der will das auch jedem zeigen. So entstand die eher schlossartige Neue Abtei mit einem Treppenhaus, das sich sehen lassen kann. Über drei Stockwerke geht es schwungvoll nach oben.


Empfangen wird der Besucher von Weisheit und Wissenschaft in Form der zwei Statuen "Sapientia“ und "Scientia“ und dem Reichsadler am Balkon des obersten Stockwerks.
Nicht weniger prunkvoll die Klosterkirche mit ihren imposanten Türmen

und dem dekorierten Eingangsportal.
Zisterziensische Schlichtheit ist auch im Inneren nicht zu finden. Die Kirche strotzt nur so vor Fresken, Stuckornamenten, Skulpturen und Alabasteraltären. Wem's gefällt..
Nach so viel Gold und Pracht bin ich geblendet und beschließe, es reicht für heute.
Außerdem muss ich den Bus bekommen und der kommt hier am Sonntag nur so alle zwei Stunden vorbei.