Fachwerk an der Lahn (2) - Marburg

Wer kennt sie nicht, die Märchen der Gebrüder Grimm und Dank Disney muss man sie nicht mal gelesen haben. 

Warum ich das erwähne? 

Marburg ist Grimm-Stadt, Luther-Stadt und Uni-Stadt. Für alles gibt es einen Rundgang, doch wo soll ich meinen Schwerpunkt legen? 

Grimms Märchen

30.10.2017

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Uni scheidet ganz schnell aus. Luthers Spuren müsste ich eigentlich folgen, denn ihm verdanke ich diesen extra freien Tag. Sorry, Luther, ich steh dann doch mehr auf Märchen, als auf Thesen, aber ich fürchte unser Reformator wird nicht zu kurz kommen.

 

Wie gesagt, Marburg ist auch Uni-Stadt und zwei, die hier ein paar Jahre Jura studiert haben, waren die Gebrüder Grimm. Hier trafen sie auf den Dichter Clemens Brentano und das war sozusagen der Auslöser für die spätere Märchensammlung.

Selbst heute wirkt die Stadt Marburg mit ihren Fachwerkhäusern, engen Gassen, dem Marktplatz und der Burg wie aus eine Märchen entsprungen. Ich werde übrigens bei meinem Stadtrundgang auf einige Hinweise zu den grimmschen Märchen treffen. Mal schauen, wer sich als Kenner herausstellt und die Hinweise den richtigen Märchen zuordnen kann. Na denn man los.


Heute ist er leer, doch einst befanden sich hier die Gebeine der heiligen Elisabeth. Viele Pilger kamen von fern, doch das gefiel dem Landgraf gar nicht. War doch Marburg eine protestantische Stadt und nur diese Kirche hatte sich der Reformation widersetzt.

Kurz hinter dem Hotel stoße ich auf die Elisabethenkirche, die älteste gotische Hallenkirche in unserem Land. Da wollte ich mich doch auf Märchen konzentrieren und schon lande ich bei Luther. Nun gut, ich werde ihn nicht ganz außen vorlassen können. Hier in der Elisabethenkirche befindet sich ein goldener, mit Edelsteinen besetzter Schrein.


Wie wird man jetzt aber die Pilger los? Ganz einfach, indem man ihnen nimmt, was sie anbeten. 

Doch wohin mit den Gebeinen? Der Landgraf kam auf die glorreiche Idee, die Gebeine vom Statthalter auf dem gegenüber liegenden Pilgerfriedhof verstreuen zu lassen. Letzterer fand das aber wohl keine so gute Idee und versteckte sie lieber auf seiner Wasserburg. Heute ruhen die Gebeine in Wien, doch der Schrein steht weiterhin in der Elisabethenkirche. 

Hat sowieso nichts genutzt, denn noch heute treffen sich hier im Kirchhof drei Pilgerpfade. 

Weiter geht es durch den alten botanischen Garten und jetzt kommen endlich die Gebrüder Grimm ins Spiel. Na, vor welchem Märchen stehe ich hier?

 

 

 


Nun geht es schnurstracks Richtung Altstadt. Die liegt etwas erhöht. Ich könnte jetzt einen der Aufzüge nehmen, aber da die jetzt nicht so aufregend sind, wie etwa in Lissabon, entscheide ich mich für die Treppe durch die engen Gässchen und komme dadurch gleich am nächsten Märchen vorbei.

 

 


Am Ende der Treppe stehe ich auf dem Kornmarkt (mit einem weiteren Märchen). Was heißt ihr eins, in den vielen Büchern kann man so manches Märchen studieren (wenn auch immer nur eine Seite) 

 


Apropos studieren, hier befindet sich auch die alte Universität. Die wurde bereits 1527 von Landgraf Philipp gegründet und darf sich stolz erste protestantische Universität nennen (weltweit, wohl gemerkt) Damals begann der Studienbetrieb mit elf Professoren und ganzen 88 Studenten. Heute sind es dann doch ein paar mehr.

 

Mich erinnert das Gebäude ein wenig an Hogwarts und Harry Potter (wo wir wieder bei den Märchen wären) 

Übrigens ist die dazugehörige Kirche noch ein halbes Jahrtausend älter. Das macht sie aber noch lange nicht zur ältesten Kirche der Stadt.

 

Die befindet sich ein Stückchen weiter in der Altstadt und ist auf den ersten Blick nicht als Kirche zu erkennen. 1527 ereilte sie das gleiche Los, wie so viele andere Kirchen der Stadt. Sie wurde geschlossen und zur Zunftstube der Schuhmacher-Gilde. Deshalb heißt der Kirchhof heute auch Schuhmarkt. Als Jahre später ein Hochwasser die Lahnbrücke zerstörte, wurden Turm und Chor für den Wiederaufbau der Brücke abgerissen. Doch der Kilian hat in seinem Leben noch viel mehr erlebt. Er war Schule, Waisenhaus, Gestapo-Quartier und sogar Schweinestall.

 

Jetzt freue ich mich aber darauf, die alten und engen Gassen der Altstadt zu erforschen. Durch die Reitgasse sind sicher auch die Grimm-Brüder marschiert, auf ihrem Weg nach Hause oder um sich in der Krieger'schen Leihbibliothek mit Lesestoff einzudecken. Lesen war ihre Leidenschaft, aber auch Theaterstücke und Komödien.


 

 

Die wurden im Marburger Rathaus gezeigt. Doch nicht nur das. Hier lernten die Studenten fechten und tanzen und konnten das Erlernte bei Bällen zum Besten geben (das Tanzen, nicht das Fechten – hoffe ich zu mindestens)


Das Rathaus schreibt aber auch noch andere Geschichten. Hier beschwerten sich die Ratsherren bei Luther, dass sie keine drei kirchlichen Orden mehr in der Stadt wollten. Die würden keine Steuern zahlen, aber erwarten, dass man sie mit Wein versorge. Ein evangelischer Pfarrer würde vollkommen ausreichen. 

1527, zwei Jahre später, hatten sie, was sie wollten und Dominikaner und Franziskaner mussten ihre Klöster räumen.

Die alte Druckerei, die Luthers Bibelübersetzungen druckte existiert leider nicht mehr.

 

 

 

1529 kam der gute Luther auf Einladung des Landgrafen nach Marburg. Eigentlich hatte er ja gar keine Lust dazu, denn er sollte sich mit Zwingli und Melanchthon treffen, um sich über das Thema Abendmahl zu einigen. Ob seine Kutsche wohl den steilen Weg hier herauf geschafft hat oder ob er zu Fuß ging?

Im Gasthof "Zum Bären“ legte er eine Rast ein, um sich frisch zu machen und sich zu stärken. Ein Schild am Haus der Barfüßerstraße 48 besagt zwar, dass er hier sogar gewohnt haben soll. Das ist aber so nicht richtig, denn er wohnte im Landgrafenschloss. Wohl auch logischer, denn er war ja auf Einladung desselben da.

Dafür habe ich ein weiteres Märchen entdecken können. Na, schon eine Idee?

 

Und doch gab es in der Barfüßerstraße (nur wenige Häuser entfernt) einen berühmten Bewohner. Jakob Grimm zog hier 1802 ein. Begeistert war er von Marburg nicht wirklich. Die dunklen Gassen mit ihren schiefen Häusern und der Lärm der streunenden Hunde gefielen ihm nicht besonders. Außerdem hatte er Heimweh nach seiner Familie und war mehr als froh, dass sein Bruder ein Jahr später ebenfalls nach Marburg zog.


Diese Straße muss Berühmtheiten angezogen haben. 

Wir erinnern uns, der Landgraf wollte nur einen evangelischen Pfarrer und die katholischen Orden los werden. Den Pfarrer bekam er mit Adam Krafft und der bekam ein Stadthaus in der Barfüßerstraße. Witziger Weise lag genau gegenüber das Franziskanerkloster und die hatten es sich in den Kopf gesetzt zu bleiben und nur ein Ultimatum des Landgrafen brachte sie schließlich dazu unter Protest die Stadt zu verlassen. Ihr Kloster wurde zur Unibibliothek.

Vorbei an einem weiter Märchen (das kennt aber jetzt jeder)  und über holprige Pflastersteine geht es zur Wendelgasse 4.   

 

Hier, zwischen den alten Fachwerkhäusern mit ihren schiefen Fenstern, kann ich mir gut vorstellen, wie die Studenten dort einst zur Untermiete wohnten. Auch heute noch sind die alten Häuser von Wohngemeinschaften bevölkert. Ganz ehrlich, Postbote möchte ich in Marburg nicht sein.


Jakob Grimm hatte es in der Wohnung in der Barfüßerstraße ja nicht sonderlich gefallen und so zog er mit seinem Bruder hier in die Wendelgasse. Ob das jetzt aber so viel besser war? Vielleicht war es die Nähe zu ihrem Professor. Zur damaligen Zeit gab es nur etwa 170 Studenten in Marburg und oft traf man sich zum Studieren im Haus des Professors. Wenn man Glück hatte, gab es dort sogar etwas zu Mittag. Die zwei Brüder mussten also nur ein Stück die Wendelgasse hinab und schon waren sie dort.


Ich folge der Gasse noch ein Stückchen weiter und gelange über die Wendeltreppe zum Lutherischen Kirchhof. Von hier hat man einen tollen Blick über das Dächergewirr der Stadt. Ich finde es eigentlich sehr schön, aber ich muss ja hier auch nicht wohnen und kann schon ein Stück weit nachvollziehen, dass Jakob Grimm die Stadt hässlich fand und sich über die vielen Treppen beschwerte. Er meinte ja sogar, es gäbe in der Stadt mehr Treppen in den Gassen als in den Häusern.

Vom Kirchhof hat man aber nicht nur einen schönen Blick, hier war am 06.August 1605 mächtig was los (und alles im Namen der Kirche). Damit kommen wir zurück zu Luther. Die Lutherische Pfarrkirche war sozusagen die Musterkirche der Reformation, denn hier predigte Pfarrer Krafft nach der lutherischen Gottesdienstordnung. Den haben wir ja schon kennengelernt. Das ging auch viele Jahre gut, bis ein neuer Landgraf an die Macht kam. Der versuchte das lutherische Bekenntnis ein wenig im calvinistischen Sinne abzuändern. Da hatte er aber nicht mit der Marburger Bevölkerung gerechnet. Als man denen während eines Gottesdienstes die Änderungen mitteilte, kam es zum Aufstand und die Geistlichen mussten fliehen. Damit wieder Ruhe in der Stadt einkehrte, begab sich der Landgraf persönlich nach Marburg und konnte sich erst mal durchsetzen. Doch so leicht gaben die Marburger nicht auf und schon eine Generation später war alles wieder beim alten. 

Ist euch eigentlich aufgefallen, dass der Kirchturm schief ist? 

Durch die Kugelgasse geht es weiter zur Kugelkirche. Wenn jetzt jemand die Kugel sucht, sucht er vergebens. Der Name kommt von Gugel, einer Kopfbedeckung, die die Kugelherren trugen. Die gründeten 1476 ihren Konvent in Marburg und begannen 40 Jahre später mit dem Kirchenbau.

 

 

 

So alt und erhalten die Altstadt auch sein mag, von der alten Stadtmauer ist nicht viel übrig. Dabei war die Stadt einst von einer starken Mauer umgeben und nur vier Tore gewährten Zutritt. Einzig das Kalbstor steht bis heute.

 

 

 

 

Hätten sie mal besser früher damit angefangen, denn nur wenige Jahre nach der Reformation gab es die Kugelherren nicht mehr und die Kirche wurde Hörsaal. Im Gegensatz zum Kilian, funktioniert sie aber heute wieder als katholische Kirche.

Weiter geht es durch die malerische Ritterstraße und ich schwenke mal wieder zur Familie Grimm.

Hier im Haus Nummer 15 wohnte der, von den Grimm Brüdern so verehrte Professor Carl von Savigny. Der lehrte zwar Recht, doch in seiner Bibliothek fanden sich auch Werke der Romantik. Wahrscheinlich haben wir sogar ihm die Grimm'schen Märchen zu verdanken.

Am Ende der Ritterstraße treffe ich auf das Steinerne Haus. Wer meinem Blog folgt, der weiß, dass die Steinbauweise etwas besonders war. Nur reiche Leute konnten sich so ein Haus leisten, die anderen wohnten im Fachwerkbau. So ist es kein Wunder, dass auch hier in Marburg Patrizier, landgräfliche Beamte und Professoren zu den Eigentümern zählten. Wer genau hinschaut erkennt die mittelalterlichen Toilettenerker und den gotischen Treppengiebel.


Bevor wir uns jetzt dem Landgrafenschloss und Luther (der kommt jetzt doch häufiger vor, als ich dachte) zuwenden, werde ich auf dem Weg dorthin noch ein wenig die Märchenfestigkeit meiner Leser testen. Na, wie sieht es aus? Wer kennt diese Märchen.


 

Übrigens gibt es hier, mitten in der Stadt, an der Schlossmauer einen winzigen Weinberg. Noch nie was vom "Landgraf-Philipp-Tropfen“ gehört? Kein Wunder, von dem werden auch nur etwa 120 Flaschen im Jahr gekeltert. Da muss man schon ein hoher Gast der Universität sein, um den kosten zu dürfen.

 

Aber wer hat denn da seinen Schuh im Weinberg verloren? 

Irgendwie gehört in Marburg alles der Uni, so auch sei 1946 das Landgrafenschloss.

 

Hier im Südflügel war es dann auch, wo sich Luther, Zwingli und Melanchthon auf Geheiß des Landgrafen trafen, um sich endlich über die Bedeutung des Abendmahls zu einigen. Doch wie so oft in Glaubensfragen, es blieb beim Versuch.

 

 

Ob es da unten wohl spukt? Zu der Anlage gehörte auch ein Geschützturm. Der wurde aber schon bald als Gefängnis genutzt. Wurde man der Hexerei bezichtigt (was im Mittelalter ja bekanntlich recht schnell passieren konnte), so wurde man im Turm eingekerkert.

 

So ein Landgrafenschloss muss natürlich auch geschützt und verteidigt werden. Fünf Kasematten durchziehen noch heute den Schlossberg. Geschossen wird dort nicht mehr. Im Gegenteil, jetzt im Winter herrscht dort absolute Stille und ein Besuch ist nicht möglich. Grund dafür sind die vielen seltenen Fledermäuse, die sich die Schlosskeller als Winterquartier auserkoren haben.


Ich mach mich lieber schnell wieder auf den Weg bergab und erreiche die Wasserscheide.

 

 

 

 

Das Männlein, dass hier steht ist nun keinem Märchen entsprungen. Es ist der letzte Marburger Dienstmann, aber wer sich genau umschaut, wird dennoch ein Märchen der Gebrüder Grimm entdecken. 

 

Doch zurück zur Wasserscheide. Hinter einer Brunnenwand befand sich ein großes Wasserbecken, welches aus einer zwei Kilometer entfernten Quelle gespeist wurde. Von hier wurde das Wasser dann auf die Brunnen der Stadt verteilt. 


Ob die aber damals so schön, wie manche der heutigen Brunnen waren? 

 

Ein bekanntes Märchen fehlt uns noch. Na, wer kommt drauf? Auf dem Weg zurück ins Hotel komme ich daran vorbei.

 

 


Na, wie hat euch Marburg gefallen? Fandet ihr es so schlimm wie Jakob Grimm? Oder gefallen uns die engen Gassen, Treppen und alten Häuser, weil wir ja nicht darin wohnen müssen.

Bleibt dann noch Stadt Nummer drei, Wetzlar und die nehmen wir uns dann morgen vor.

 

Wer jetzt nicht alle Märchen erkannt hat, hier die Auflösung:

vom Fischer und seiner Frau / Schneeweißchen und Rosenrot / Sterntaler / das tapfere Schneiderlein / Hänsel und Gretel / Rotkäppchen / Schneewittchen / Aschenputtel / Froschkönig / der Wolf und die sieben Geißlein

Fachwerk an der Lahn (3) - Wetzlar