Fachwerk an der Lahn (1) - Limburg

Deutschland ist so schön. Ich liebe Fachwerkhäuser und Städte am Wasser. Eigentlich am Meer, aber ein Fluss tut es auch und so mache ich mich auf den Weg an die Lahn, um dort ein wenig nach Fachwerkromantik zu suchen.

auf alten Handelswegen

30.10.2017

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Mit dem ICE käme ich heute nur bis Frankfurt. Danach ist sowieso Nahverkehr angesagt, also kann ich mir eigentlich den Zuschlag für die halbe Stunde sparen und mich gleich der Regionalbahn anvertrauen. Die ist in der Regel auch pünktlicher.

 

Zwei Stunden und einen Umstieg später bin ich in Limburg, meinem ersten Lahn-Städtchen für die nächsten drei Tage. 

 

Limburg oder Lintpurc, wie es damals hieß, gibt es offiziell schon seit 910, aber man geht davon aus, dass der Domfelsen schon früher besiedelt war. Liegt ja auch nahe. Hier kreuzten sich zwei Handelswege und ein Fluss war auch da. Schön blöd, wer sich da nicht angesiedelt hätte. 


Sicher war auch die Kirche bald dort. Natürlich war das zu Anfang nicht der mächtige Dom, den man von überall in der Stadt sehen kann. Dessen Bau wurde erst 1215 begonnen, aber auf den Resten einer Stiftskirche. So ein Kunstwerk mit sieben Türmen, zig Säulen und Arkaden stellt man aber nicht mal so eben in einem Jahr hin. Nein, ganze 20 Jahre hat es gedauert, bis das Prachtstück fertig war. Da ist es dann auch kein Wunder, wenn der Stil ein Mix aus Romanik und Frühgotik ist.

Sagt zu mindestens der Reiseführer. Ich, als Kunstbanause würde das sowieso nicht entdecken.

  

 

 

Kunstbanause hin oder her, die Wandmalereien im Inneren finde ich trotzdem toll.

Hier auf den steilen Felsen, hoch über der Lahn findet sich auch die Burg. Ich sag ja immer, wo die kirchliche Macht, ist die weltliche oft nicht fern (und umgekehrt).

 

Hinab geht es über die steile Domtreppe und dann folge ich dem Weg der Mönche und begebe mich durch die Barfüßergasse Richtung Kornmarkt. Dabei durchquere ich das historische Judenviertel.


Handel war das A und O einer mittelalterlichen Stadt. Die Straßennamen, wie Salzgasse und Fleischgasse deuten auf reichlichen Handel hin und neben dem Kornmarkt gab es auch einen Fisch- und einen Roßmarkt.

Doch schauen wir uns erst mal ein wenig auf dem Kornmarkt um. Immerhin ist er der größte Marktplatz der Stadt. Ob aber auch der schönste? Lasst es uns herausfinden.

 

Hier stehen die typischen Hallenhäuser der Altstadt, erbaut von reichen Händlern und wohlhabenden Patriziern. Hallenhäuser deshalb, weil man in die ebenerdige Halle mit dem Pferdefuhrwerk einfahren konnte, um die Ware dort abzuladen. Ein Blick nach oben zeigt dann, dass es sich bei den Hausherren nicht um arme Schlucker gehandelt hat. 


Eines der Eckhäuser zieht mich magisch an. Was sind denn das für wundersame Figuren an der Hauswand und warum wird es im Reiseführer nicht erwähnt? Des Rätsels Lösung: hier übt ein Bäcker sein Handwerk aus. Der backt natürlich auch ganz normales Brot, aber hat sich auf Figuren aus Lebkuchenteig spezialisiert.

Gegenüber, wie praktisch, die Kaffeerösterei. Dumm nur, dass deren Café heute geschlossen hat.


Durch die Salzgasse geht es weiter zum Fischmarkt. Der hat jetzt aber eigentlich gar nichts mit Fischen zu tun. Eigentlich verwunderlich, denn die Stadt liegt ja am Fluss und früher hat es da doch sicher auch Fische gegeben. Ich stehe aber auf dem ehemaligen Fismart, der nichts anderes als ein Faden- oder Wollmarkt war. Da frage ich mich jetzt aber, sind die Fische an den Häusern alle neu oder stimmt das mit dem Fismart gar nicht. 

Wow, auch hier bin ich beeindruckt von den vielen schönen Fachwerkhäusern. Frage mich echt, warum es die ausländischen Touristen immer nur nach Heidelberg oder Rothenburg zieht. Hier ist es doch mindestens genauso schön. Ob man denen mal sagen sollte, dass die hiesige Altstadt zu den wenigen unzerstörten mittelalterlichen Stadtkernen in Deutschland gehört?

Oder besser nicht, denn so habe ich das historische Rathaus fast für mich.

Und wem ist denn beim Anblick desselben etwas aufgefallen? Genau, es ist das einzige Steinhaus am Platz. Muss sich der Handel und die damit einhergehenden Steuern ja gelohnt haben, wenn die Stadt sich ein Steinhaus leisten konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch gehen wir weiter auf Entdeckungstour durch die engen Gassen und Durchgänge.

Doch warum war die Stadt so reich? Warum konnte man sich so schicke Häuser leisten?

Nun ja, die Stadt lag am Fluss und am bedeutenden Handelsweg zwischen Frankfurt und Köln.

 

Doch bevor ich mich damit näher befasse, werfe ich noch eine Blick auf die St Johannes Kapelle. Gebaut wurde sie 1322 für die Zisterzienser, wurde 1831 erst evangelisch und später bis 1903 jüdisch. Heute ist sie wieder evangelisch.

Im Römer treffen wir auf das älteste Gebäude der Stadt und die Überreste einer Mikwe, dem jüdischen Kultbad.


Lasst uns doch mal einen Sprung ins Mittelalter wagen. Schlüpfen wir in die Rolle der Kaufleute, die von Frankfurt kommend den Weg nach Köln nehmen. Vor uns liegt der Katzenturm, ein Wachturm der Stadtbefestigung und dahinter spannt sich die steinerne Brücke über die Lahn.

 

Hochbeladen ist unser Fuhrwerk und brav zahlen wir unseren Zoll. 

Doch kommen wir jetzt zur Haupteinnahmequelle der Stadt im Mittelalter, dem Handel. Schon in ganz frühen Zeiten gab es hier eine Furt und später eine hölzerne Brücke.

Die heutige Steinbrücke steht hier mehr oder weniger seit 1354. Die Vereisung der Lahn in strengen Wintern konnte ihr nichts anhaben, doch der Mensch mit seinen ewigen Kriegen zerstörte sie 1945 teilweise.

Dann geht es über die Brücke unter den wachsamen Augen des heiligen Nepomuk und mit Blick auf den Dom.


Wir Kaufleute sind ja praktisch fahrendes Volk. Da dachte man wohl, wir wären nicht ganz ohne und würden es in den Städten bunt treiben. 

Wenn die in Limburg aber glauben, wir lassen uns von so ein paar Dämonen an einer Hauswand einschüchtern, haben sie sich getäuscht. Das "Haus der sieben Laster" nennen sie es. Wir und geizig, neidisch, träge, zornig oder gar unkeusch. Also wirklich, wir haben jetzt ganz andere Sorgen.

In Köln hatte man uns bereits gewarnt, den Wagen nicht zu sehr zu beladen und uns auf diese schmale Stelle hingewiesen. Ist aber alles gut gegangen, wir machen das ja schließlich nicht zum ersten mal. (Und was damals galt, gilt auch heute noch.)

Für uns heißt es jetzt vollste Konzentration. Nach der Lahnbrücke folgt eine gefährliche Kurve in die Fahrgasse. 

Sinnigerweise ist dort heute eine Gaststätte zum "Runden Eck“. Hätte es die mal früher schon gegeben. Wir hätten uns ein wenig Mut antrinken können, denn nun müssen wir die engste Durchfahrtstelle auf dem Weg bewältigen.


Auf dem Weg zum Kornmarkt überlegen wir kurz in die Rosengasse einzubiegen. Dort warten die Hübschlerinnen, um uns ihre Dienste anzubieten. 

Ja, ja, soviel zur Unkeuschheit der fahrenden Händler und damit verlassen wir das Mittelalter wieder. 

 

Ich befinde mich noch in der Fahrgasse und stehe jetzt vor dem Walderdorffer Hof. Der war ursprünglich der Hof mit Wohnturm eines reichen Patriziers und gelangte 1540 in die Hände der Familie von Walderdorff. In zweiter Generation ließen Wilderich von Walderdorff und sein Bruder den Hof in ein Barockpalais umbauen. Ob denen jetzt aber die Stadt Limburg nicht gefiel oder doch der Bau, wer weiß das schon. Jedenfalls nutzten sie das Palais kaum als festen Wohnsitz. Schade eigentlich. 

Ich schlendere weiter durch die engen Gässchen und komme in den Schießgraben. Wo der wohl seinen Namen her hat? Er liegt ja schon abgelegen an der ehemaligen Stadtmauer, sodass man hier ungestört Schießübungen durchführen konnte.

Abgelegen an der Stadtmauer, da kommt mir noch etwas anders in den Sinn. Badezimmer gab es ja damals noch nicht und wenn man zwei Buchstaben umdreht...

Egal! In der Salzgasse stoße ich auf Limburgs ältestes Café. Mal schauen, ob sich da ein Plätzchen für eine Rast findet. Ein Tässchen Kaffee und ein Stück Kuchen wären jetzt nicht verkehrt und wenn ich mir die  Auslage betrachte, läuft mir das Wasser im Munde zusammen. 

Nur hier gibt es den "Limburger Säcker“ nach einem Familienrezept aus dem 18. Jhdt. 

Wir haben ja vorhin gesehen, wie eng es in der Stadt ist. Mussten die Kaufleute hier übernachten, wurden die Säcke an der engsten Stelle von Trägern (Säcker) entladen und zur sicheren Verwahrung in die Hallenhäuser geschafft.

Ihr wollt jetzt wissen, was der "Limburger Säcker“ genau ist? Kommt doch einfach nach Limburg und testet einen.


Ich habe es für heute fast geschafft. Durch die Fleischgasse geht es zum Neumarkt mit dem

St Georgsbrunnen. (und wieder muss ein armer Drache sein Leben lassen) 

 

Für mich wird es jetzt Zeit weiterzuziehen. Marburg an der Lahn wartet darauf morgen von mir entdeckt zu werden. Ich bleibe dem Nahverkehr treu. Einmal umsteigen in Gießen und ich bin am Ziel.

Das war jetzt mittelalterliche Altstadt Nummer eins. Limburg hat mir sehr gut gefallen und es wird wohl schwer das noch zu toppen. 

Doch Marburg kann  immerhin mit den Märchen der Gebrüder Grimm aufwarten. Schauen wir mal, was uns morgen erwartet.

Fachwerk an der Lahn (2) - Marburg