Marzipan & Gitterstäbe in Berlin


Irgendwas muss wohl doch an Berlin sein. Auch wenn ich mich wiederhole, aber eigentlich mag ich diese Stadt so überhaupt nicht und daran hat sich auch seit dem letzten Besuch nichts geändert.

Das einmal im Jahr stattfindende Festival of Lights reizt mich dann aber doch genug, um mich mal wieder auf den Weg in die Hauptstadt zu machen.


Festival-of-Lights-Tour


Eat-the-World Charlottenburg       >>>>>>>



Richtung Landeshauptstadt

14.10.2016

10°C
10°C
720 km
720 km

Feierabend und die Bahn ruft. Heute geht es erst um 17:30 Uhr nach Berlin. Das hat zwei Vorteile: erstens muss ich nicht bangen pünktlich in den Feierabend zu kommen und zweitens ist der ICE einiges schneller, da er nur in Frankfurt und Hannover hält. Das macht ihn auch etwas weniger verspätungsanfällig, so dass wir auf die Minute pünktlich in Berlins Hauptbahnhof einfahren (wo gibt es denn so was?)

Geplant ist für den heutigen Abend nichts mehr. Die DB mag zwar mal pünktlich gewesen sein, aber dafür sind an diesem Wochenende einige S-Bahnlinien außer Betrieb, was es zu so später Stunde zu umständlich machen würde, noch eines der Lichtobjekte aufzusuchen.



Berlin leuchtet wieder

15.10.2016

12°C
12°C
7 km
7 km

Der heutige Vormittag ist einer weiteren Tour von "Eat the World“ gewidmet. Dieses Mal nehmen wir uns Charlottenburg vor.

Ein Blick auf die Karte würde uns zeigen, dass es in ganz Berlin nur einen "weiblichen“ Bezirk gibt, nämlich Charlottenburg. Und wie kam der jetzt zu seinem Namen?

Die Kurfürstin Sophie Charlotte ist schuld. Die wollte nämlich ein Lustschloss und Gut Caputh bei Potsdam war ihr zu abgelegen und einsam. Da schenkte ihr ihr Gemahl 1695 mal so eben Dorf und Gut Lützow. Der wird schon gewusst haben warum.

Jetzt konnte sie hier ihr Lustschloss bauen lassen und das wurde 1699 mit einem großen Ball eingeweiht. Leider konnte sich die gute Sophie nicht lange an ihrem Schloss erfreuen, denn sie verstarb bereits sechs Jahre später. Friedrich I machte es daraufhin zu seinem Hauptwohnsitz und nannte Schloss und Dorf ihr zu Ehren in Charlottenburg um. Das Dorf bekam auch gleich noch Stadtrechte.

Das wiederum wurde von einem hohen Beamten kritisiert, von wegen Gleichberechtigung und so. Friedrich sah das anders, setzte sich selbst als Ehrenbürgermeister ein und verbot den Gebrauch des alten Namens. Eine Zuwiderhandlung wäre mit 16 Groschen bestraft worden.


Leider hat dieser Stadtteil außer dem Schloss nicht viele Sehenswürdigkeiten zu bieten, sodass der Schwerpunkt mehr auf kulinarisch als historisch liegt, was aber keines Falls negativ ist.

Unsere kulinarische Reise beginnen wir in Ungarn. Bor bedeutet Wein und So ist das Salz. BorSo hingegen bedeutet Erbse, wobei ich mir überlege, was jetzt Wein und Salz mit Erbsen zu tun haben. Ist ja aber auch egal. Jedenfalls bekommt man in dieser Speisekammer alles, was das ungarische Herz höher schlagen lässt. Wir dürfen uns durch das umfangreiche und sehr leckere Salamisortiment testen.


Ein paar Querstraßen weiter und wir stehen vor einer alteingesessenen Backstube, übrigens eines der ältesten Handwerkbetriebe in Charlottenburg. Hier backt der Chef noch selber. Besonders das Mohngebäck ist lecker, aber auch zu den verschiedenen Käsekuchen kann man nicht nein sagen. Die Rezepte stammen übrigens noch vom Großvater und das schmeckt man. 

Die Straßen in Charlottenburg ähneln sich, alle bebaut mit Häusern, die nicht höher als 23 Meter sein durften. Das kennen wir schon von unserer Tour durch Kreuzberg. Höher konnte die Feuerwehr zur damaligen Zeit nämlich nicht löschen.Vielleicht könnt ihr ja erraten, welche Wohnung wir uns ausgeguckt haben.

Gleich um die Ecke stehen wir im ehemaligen Garten derer von Oppenheim. Die hatten hier ihr Berliner Domizil und liebten es bei schönem Sonnenschein im Garten zu frühstücken. Dumm nur, dass in der Umgebung immer mehr Wohnungen entstanden und wer lässt sich schon gerne vom gemeinen Volk beim Mahle zusehen. Man beschloss also irgendwann das Anwesen aufzugeben. Heute ist der ehemalige Garten ein kleiner öffentlicher Park.

In Berlin gab und gibt es tausende von asiatischen Restaurants, darunter aber kein einziges philippinisches. Das hat sich mit der Eröffnung des Pinoy 2014 geändert. Wer will, kann sich hier durch die leckere philippinische Küche essen. Für uns gibt es Reis mit Gemüse. Darunter auch Bitterkürbis, der jetzt nicht so ganz meinen Geschmack trifft. Wer auf seine Schweinshaxe nicht verzichten möchte, bekommt die hier auch. Allerdings in der frittierten Variante a la Philippinen.


Schon mal was von Schlafburschen gehört? Und nein, das ist nichts unanständiges. Ab Mitte des 19. Jhdts kamen junge Menschen nach Berlin, um in den Fabriken Arbeit zu finden. Genug Geld für eine eigene Wohnung hatten die nicht und so waren sie gezwungen stundenweise die Betten anderer werktätiger Menschen zu mieten, um ein wenig Schlaf zu finden.

Auf Dauer konnte diese Überbelegung von Arbeiterwohnungen nicht gut gehen und so entstanden in der Nähe der Industrieanlagen die sogenannten Ledigenheime. Hier gab es dann neben den Wohnräumen auch eine Kantine und sanitäre Anlagen, also quasi eine echte Luxusherberge.

 

Natürlich darf auf einer kulinarischen Stadtteilführung einer nicht fehlen, und zwar der Italiener. Und was können Italiener unter anderem am besten? Klar Pizza! Der Besitzer der Trattoria la Bella Sicilia stammt aus Sizilien, ist aber schon seit 30 Jahren in Deutschland und seit 2014 in Charlottenburg.

 

Die Pizza, die wir heute bekommen ist mit Rucola, Tomaten und Schinken belegt und schmeckt definitiv nach mehr.

Was für eine feine Adresse in Charlottenburg, den Lietzensee vor der Tür und alten Baumbestand im Garten. Wer bereit ist €1700 Miete (kalt) zu zahlen kann hier einziehen. Man darf sich aber nicht daran stören, dass hier einst das Berliner Kammergericht und das Reichskriegsgericht residierten.

Wer sich also als stolzer Mieter eines Lofts im feudalen Gemeinschaftsraum zum Fußballgucken trifft, befindet sich in dem Raum, in dem allein während des zweiten Weltkrieges über 1400 Todesurteile gefällt wurde. Schon ein wenig gruselig, oder? Wer weiß, vielleicht treibt der eine oder anderen Verurteilten des nachts hier sein Unwesen.

Bei Marzipan habe ich noch nie nein sagen können, aber dieses hier wird nur aus feinsten Zutaten wie Rosenöl und Mandeln hergestellt. Bloß schnell wieder aus dem Laden raus, bevor ich anfange mich durch das Sortiment zu kaufen.

Gleich nebenan geht es mit leckerem Käse weiter. Die Milch stammt von glücklichen Kühen und Ziegen, die noch auf der Weide herum springen dürfen. Wen im Frühjahr die Zicklein geboren werde, gibt es keinen Käse, denn dann wird die Milch anderweitig benötigt.

Die heutige Tour beenden wir kulinarisch mit einem Stopp im "La Piadina". Hier gibt es die leckeren Piadinas. Das sind dünne Fladenbrote, die fettfrei auf einer heißen Platte gebacken werden. Fast wie Crepes, nur fester. Gefüllt werden sie mit leckerem Gemüse, aber wahlweise auch mit Käse oder Salami.

Scheint gut zu laufen, den inzwischen gibt es bereits ein zweites Lokal in Berlin.

 

 

 

 

Historischer Endpunkt ist das wohl buntesten Haus in Charlottenburg. Mir gefällt es, sticht es doch aus der Menge hervor, aber es wurden auch schon Stimmen laut, man möge es wieder weiß streichen. Übrigens befand sich früher hier ein Busbahnhof für Interzonenbusse. Das der inoffiziell auch ein Umschlagplatz für Westwaren war, wundert wohl kaum.

Kaum ist es dunkel macht sich ganz Berlin und tausende von Touristen auf den Weg Richtung Alex.

Es ist wieder Festival of Lights und wir sind dabei.

Da wir ja schon letztes Mal hier waren, möchte ich außer dem Dom noch was neues sehen.

Unser Modezar Guido hat sich in diesem Jahr das Stadthaus vorgenommen, um es modisch ein wenig aufzupeppen. Das ist ihm auch ganz gut gelungen.

Neu dabei in diesem Jahr der Fernsehturm am Alex. Der stellt mich fototechnisch ein wenig auf die Probe. Die Illuminationen sind hier viel bewegter und die Fläche viel kleiner, bzw schmäler. Da belichtet man schon einige Bit auf der Speicherkarte, bis was brauchbares dabei ist.

Ganz anders der Berliner Dom. Der hat mich ja bereits im letzten Jahr begeistert. Dieses mal suche ich mir einen Platz in der ersten Reihe, weit genug entfernt, dass das Weitwinkel noch formatfüllend ablichten kann, und dann kann die Show los gehen. Hier ist es viel einfacher gute Fotos zu bekommen, da die Motive mehrere Minuten unverändert bleiben. Dafür läuft einem ständig jemand vor die Linse, was dann im Endeffekt doch wieder zu einer ganzen Menge Ausschuss führt.

 

 

 

 

Die Humboldt Universität war bereits im letzten Jahr auf unsere Programm. Hier wechselt das Design gar nicht, aber wenigstens ist es ein anderes Motiv als im vergangenen Jahr. Mir gefallen am besten die kleinen Roboter.

Gleich daneben steht das Hotel du Rome und hier dreht sich dieses Jahr alles um verschiedene Weltkulturen.

Bedingt durch zusätzliche Baustellen geht zwischen Dom und Humboldt teilweise gar nichts mehr voran. Man stelle sich nur vor, es würde aus irgendeinem Grund eine Panik ausbrechen, dann möchte ich hier nicht mitten drin sein. Da uns auf der Hauptroute die Menschenmassen zu viel werden, beschließen wir das Brandenburger Tor in diesem Jahr links liegen zu lassen und biegen ab Richtung Gendarmenmarkt mit dem deutschen und französischem Dom.

Bis hier sind wir prima durch gekommen und noch besser in der Zeit. Bis 24:00 Uhr sind die Objekte beleuchtet und wir entscheiden uns spontan noch zum Potsdamer Platz zu laufen. 

Unterwegs kommen wir am Leipziger Platz vorbei und da trifft man an einer Hauswand auf all die Menschen, die mit Berlin in Zusammenhang gebracht werden können. Frei nach dem Motto "Ich bin ein Berliner“.

Am Potsdamer Platz beenden wir dann die Tour. Hier stand im letzten Jahr das wunderschöne Kartenspiel. Dieses Jahr hat er nicht so spektakuläres zu bieten.

Vor dem Zugang zum Bahnhof steht eine Gruppe von Leuchtpersonen unter dem Motto "Mein Licht ist dein Licht"

Erinnern sollen sie an die unzähligen Flüchtlinge.

Und auf dem See schwimmen bunte Papierboote. Die finde ich aber gar nicht so übel. Sie könnten nur ein wenig größer sein.


hinter Gittern

16.10.2016

10°C
10°C
1.5 km
1.5 km

Bevor ich mich heute auf den Heimweg mache, möchte ich mir noch eines der Lost Places von Berlin anschauen. Lost Places können verlassene ehemalige Fabrikantenvillen, Produktionsstätten oder Schwimmbäder sein. Sie alle wurden irgendwann aufgegeben und verfallen langsam. Man darf sie natürlich nicht einfach so betreten, aber im Rahmen einer Tour (zB von go2know) ist das sehr wohl möglich.

 

Ich mache mich heute auf den Weg nach Köpenick, wo das alte Gefängnis auf mich wartet.

Traurige Berühmtheit erlangte es im Juni 1933 bei der Köpenicker Blutwoche. Die Nazis rissen sich damals den Knast unter den Nagel und sperrten hier bis zu 500 Staatsfeinde ein. Das die nicht

fürsorglich behandelt wurden, kann man sich wohl denken und so starben mindestens 23 Personen.


Pünktlich um 10:00 Uhr erscheint unser Guide. Wobei Guide ein wenig übertrieben ist. Er erzählt uns ein wenig über die Geschichte des Objekts und dann gehört der Ort uns.

Zum Glück sind auf diesen Touren nur eine handvoll Menschen dabei. So kommt man sich beim Fotografieren nur selten in die Quere.

Die ehemaligen Zellentrakte der Männer, in denen wir uns frei bewegen können, regen schon ein wenig zum Nachdenken an. Verteilt auf drei Stockwerke liegen, versehen mit Riegel und Klappspion, Zelle neben Zelle.

Winzig sind sie und nicht sehr einladend mit ihren hölzernen Pritschen und dem bisschen Sonnenlicht, das durch die vergitterten Fenster fällt. Klar, hier soll man sich ja auch nicht wohl fühlen, aber bei den Verhältnissen nimmt man sich bestimmt vor ein besserer Mensch zu werden, damit man nur ja nicht wieder hier landet.

Die Treppenhäuser sind von oben bis unten vergittert und Stahlbrüstungen sichern die Gänge zwischen den Zellen. Alles für das Wachpersonal gut einsehbar – da ist so schnell keiner entwischt.

Am Schluss zieht es mich noch in den Keller. Hier ist es teilweise richtig dunkel und ohne Taschenlampe geht gar nichts mehr. Auch feucht ist es hier unten und die Kälte kriecht einem in die Glieder. Gut zu wissen, dass ich in wenigen Stunden wieder frei bin. Die wenigsten der Gruppe stoßen bis zum Keller vor und zwischenzeitlich habe ich das Gefühl ganz alleine in diesem Gefängnis zu sein. Fühlt sich schon ein wenig seltsam an. Eigentlich warte ich nur darauf, dass ein Wächter mit seinem laut rasselnden Schlüsselbund um die Ecke kommt.

Schließlich bin ich doch froh, nach etwa drei Stunden das Tageslicht wieder zu sehen.

Es war aber eine ganz besondere Erfahrung und ich würde, sollte sich die Gelegenheit nochmal ergeben, gerne einen weiteren Lost Place erkunden. Solange es sie noch gibt. Viele Objekte werden irgendwann doch verkauft und von den neuen Eigentümern renoviert. Dann stehen sie leider nicht mehr für Fototouren zur Verfügung.

Bedingt durch den Ausfall einiger S-Bahnlinien, muss ich mich auf Umwegen zum Bahnhof durchschlagen. Ist aber nicht schlimm, da ich genug Zeitreserve eingeplant habe. Es reicht sogar noch für eine Currywurst vor der Abfahrt. Die muss bei jedem Berlinbesuch wenigstens einmal auf den Teller, bzw die Pappschale kommen.