Unterwegs auf dem Burgensteig (1)

(Eberstadt bis Jugenheim)


Und dann ist endlich Mai und es geht los. Oder besser fast Mai. Wir konnten es nämlich nicht erwarten und haben so lange gequengelt, bis Frauchen eingelenkt hat und schon eine Tag früher begonnen hat. 

Von Darmstadt bis Heidelberg werden wir auf elf Etappen sicher so einiges entdecken.

Den Anfang machen Hieronymus und Karlchen. Hoffentlich sind sie nicht schreckhaft.


15°C
15°C

von Mythen und Sagen

30.04.2021


16.5 km
16.5 km

Die Wetter-App hatte eigentlich Sonnenschein versprochen, aber der Himmel ist grau. Wenigstens regnet es nicht und so entscheiden wir uns, die Tour trotzdem heute zu starten. Dazu müssen wir früh aus den Federn. Frauchen hat beschlossen, dass wir an dem Punkt beginnen, der am weitesten von daheim entfernt ist. So verkürzen sich von Tag zu Tag die Anreisen von der Drachenburg. Damit wir nicht so oft umsteigen müssen, beschließt Frauchen mit der Bahn bis Darmstadt-Eberstadt zu fahren und nicht mit der Straßenbahn bis zum Friedhof.

Ob das so eine gute Idee war, wird sich noch zeigen. Erstmal bedeutet es zwei extra Kilometer Fußmarsch bis zum Einstieg des Burgensteigs.

Ich (Hieronymus) bin ganz stolz, weil ich am Friedhof das erste Hinweisschild entdecke.

Viel spannender finden wir aber das Schild, welches Karlchen kurz darauf entdeckt. Wir stehen an Kilometer Null des Burgensteigs und schaut doch nur, wie viele Burgen darauf warten von uns entdeckt zu werden.

Das erste Stück geht es sanft bergan, Da hat selbst unser Frauchen nichts zu meckern.

Doch dann wird es steiniger und steiler. Unser Frauchen findet das nicht so toll. Sie würde am liebsten immer auf gleicher Höhe oder bergab wandern. Funktioniert bei Burgen auf der Strecke aber nicht. Dann müsste sie schon ins Münsterland fahren, wo die Wasserburgen in der Ebene liegen. Bei uns im Odenwald und Pfälzerwald hat man die Burgen hoch oben auf die Hügel gestellt, damit man weit ins Tal schauen und jeden Angreifer gleich erkennen konnte.

Tja Frauchen, da musst du jetzt durch. Wir würden sie ja anfeuern, wie das die Drachen von Mama Moni aus der Drachenfamilie tun. Das haben wir einmal versucht. Oh je, Frauchen war not amused und hat uns mit einem Monat Schokiverbot gedroht. Glaubt uns, das möchte kein Drache und so lassen wir es seitdem lieber bleiben.

Schließlich erreichen wir Burg Frankenstein und sollen wir euch was verraten, die liegt mal gerade 370 Meter hoch. Apropos Frankenstein. Da klingelt doch was. War das nicht das Monster, welches ein ehrgeiziger Forscher erschaffen hat? Ob das hier wohl im Keller lebt?

Wir hätten ja zu gerne nachgeschaut, aber leider ist die Burg zur Zeit nicht zugänglich.

Nachdem wir das Haupttor verschlossen fanden, sind wir extra auf Schleichpfaden um die Burg gelaufen. Es gibt nämlich noch ein verstecktes Osttor. Leider war das auch verschlossen und so konnten wir nur von außen einen Blick erhaschen. Wir hätten wohl auch kein Monster gefunden, denn der Name der Burg geht auf die Herren von Frankenstein zurück und das waren ganz normale Adelige.

Angeblich soll die Burg aber Namensgeberin für den bekannten Roman gewesen sein, was aber noch zu beweisen wäre. Ist uns beiden jetzt aber auch egal. Wir sind traurig, dass wir Burg Frankenstein nicht erforschen durften. Vielleicht sollten wir nach Corona unser Frauchen mal überreden, mit uns hier Halloween zu feiern. Da ging bisher immer ordentlich die Post ab und dann sind hier bestimmt auch Frankenstein und Co unterwegs.

Übrigens, im Steinbruch unterhalb der Burg soll einst ein Lindwurm gelebt haben. Die Drachenfreunde unter uns wissen sicher was ein Lindwurm ist. Na klar, ein Drache. Angeblich soll der ja im nahegelegenen Dorf randaliert haben und nur das Fleisch junger Mädchen habe ihn besänftigt. So ein Blödsinn! Wir Drachen tun so was nicht, auch wenn man uns das immer nachsagt. Wer weiß, wer da ihm Dorf sein Unwesen trieb. Wie das aber so kommen musste, meinte ein mutiger Ritter derer von Frankenstein, der Drache müsse weg und hat ihn nach langem Kampf getötet. Siegreich war er trotzdem nicht, denn der Drache soll ihm ein tödliches Gift injiziert haben. Also ehrlich, wir glauben die Geschichte nicht. Seit wann haben Drachen Giftzähne? Ob der vielleicht am Vortag ein paar Bierchen zu viel hatte und mit einer Kreuzotter gekämpft hat? Ist ja auch sowas wie ein Wurm.

Doch es bleibt spannend, denn um die Umgebung der Burg ranken sich noch mehr Mythen. Nach nur kurzer Wanderung erreichen wir die Magnetsteine. Die sind wirklich magnetisch. Wir haben es mit dem Kompass in Frauchens Handy getestet. Wieso ist das aber so? Wissenschaftler meinen, dass die Hitze eines Blitzeinschlags dafür verantwortlich ist. Das ist uns aber zu banal und wir glauben an die Sage, nach der Hexen ihre Finger im Spiel hatten. Immerhin ist hier der zweitgrößte Hexentanzplatz nach dem Brocken.  

Wir schauen dann doch lieber. dass wir Land gewinnen. Heute ist Walpurgisnacht und den Ästen nach zu urteilen werden hier bereits Vorbereitungen für das große Feuer gemacht. Da wollen wir lieber nicht stören. Hexen sind da sehr eigen, wenn es um die Walpurgisnacht geht. Fragt mal die kleine Hexe, die kann euch ein Lied davon singen.

Den Burgberg haben wir ja erfolgreich erklommen und jetzt geht es sehr zu Frauchens Freude bergab. Wir behalten jetzt mal für uns, dass es später noch mal bergauf geht. Das wird sie schon noch früh genug merken.

Ob diese hübschen Felsen irgendwelche Geheimnisse bergen, konnten wir nicht heraus finden. Bestimmt hat da wieder der Teufel seine Hand im Spiel. Meistens ist der nicht weit von den Hexen anzutreffen.

Weiter geht es bergab und manchmal wird der Pfad so schmal, dass Frauchen zweifelt, ob wir denn noch richtig sind. Keine Sorge, unsere scharfen Drachenaugen haben das Burgenzeichen längst entdeckt. Übrigens die Frauen, die ihr am Ende des Pfades gerade noch erkennen könnt, haben mich doch tatsächlich für ein Einhorn gehalten. Geht's noch?

Und dann findet drache sich plötzlich auf Wegen wieder, die einer Autobahn gleichen. Dieser führt genau auf den Zehn-Wege-Platz. Also gezählt haben wir nur neun und nein, wir haben nicht vergessen den mitzuzählen, auf dem wir gekommen sind. Wahrscheinlich geht irgendwo noch ein versteckter Trampelpfad ab. War uns jetzt aber nicht wichtig genug, danach zu suchen.  

Lieber legen wir zwischen den hübschen weißen Blüten eine kleine Fotosession hin. Frauchen meint zwar, wir wären hier nicht bei Germanys Next Top Dragon, aber wir finden uns ziemlich fotogen oder was meint ihr?

"Schau mal was für eine schöne Schutzhütte", ruft Karlchen plötzlich. Doch ich weiß es besser. Klar kann drache dort vor Regen Schutz suchen oder Rast machen, aber eigentlich stand hier einst ein Teehäuschen. Ein Teehäuschen mitten im Wald? Wer kommt denn auf so eine Idee?

Nun, wir sind hier ja nicht wirklich tief im Wald, sondern am Stadtrand von Seeheim. Der Großherzog Ludewig erwarb im Jahre 1808 einen Rokokopark von seinem Amtsmann. Der war nämlich wegen Steuerhinterziehung in Ungnade gefallen. Selber Schuld. So was macht man ja auch nicht.

Jedenfalls waren zu Beginn des 19. Jhdt englische Landschaftsgärten voll in Mode und so entstand auch hier einer mit besagtem Teehäuschen. Da konnten die Herrschaften sich dann treffen und den Blick genießen oder vielleicht hatte der eine oder andere auch ein Techtelmechtel. Unseren Turteltäubchen der Drachenbande würde es hier bestimmt auch gefallen. So mit Champagner und Erdbeeren und was drache sonst noch so für ein romantisches Rendezvous braucht. 

Für uns gibt es nur die Aussicht und einen trockenen Keks. Also echt jetzt!

Weiter geht es im wahrsten Sinne über Stock und Stein. Nicht nur, dass unser Frauchen wieder bergauf muss, nein es geht auch noch über Hindernisse. Ist ja fast wie beim Military-Reiten, nur das Frauchen kein Pferd ist und sich etwas schwer getan hat, über die Baumstämme zu kommen. Gut, dass sie nicht gehört hat, dass wir gekichert haben. Zugegeben, Karlchen ist hier mit seinen Flügeln klar im Vorteil, aber ich war auch mit einem Satz oben und dann in elegantem Sprung wieder runter.

Am Ende der Steigung führt uns der Weg ein Stück entlang einer Straße. Das war nicht so toll, aber zum Glück war die nicht sehr befahren. Kaum wieder im Wald, treffen wir auf diesen Ring aus fünf Linden. Was mag das jetzt wieder geheimnisvolles sein? Das wird doch nicht schon wieder ein Hexentanzplatz sein? Feuerholz liegt ja schon bereit.

Der Sage nach war hier im Jahre 1765 die spätere Landgräfin Karoline von Hessen mit ihren fünf Töchtern spazieren, als sie auf eine Wahrsagerin traf. Mitten im Wald? Das war bestimmt eine Hexe. Neugierig, wie Frauen nun mal sind, wollten sie einen Blick in die Zukunft. Die Wahrsagerin prophezeite ihnen fünf Kronen. Na toll, dass hätten wir Drachen auch hin bekommen. Zu den Zeiten hat der Adel in der Regel untereinander geheiratet. Wie schwer ist denn da bitte so eine Vorhersage?

Irgendwann erreichen wir dann die Abzweigung zur Burgruine Tannenberg. 15 Minuten hört sich jetzt nicht so viel an, aber was wir hier noch nicht wissen, ist die Tatsache, dass der alte Burgweg zwar kürzer, aber auch steiler ist. Naja, den Rittern war das wohl egal, Die waren ja zu Pferd unterwegs und was Frauchen davon hält, wisst ihr ja inzwischen.

Irgendwie ist das aber schon gemein, wenn drache sich den Berg hoch müht und nach jeder Kurve denkt, jetzt müsse die Burg doch endlich auftauchen. Karlchen könnte zwar fliegen, aber weil ich als Wasserdrache das nicht kann, marschiert er tapfer neben mir her und dabei sind seine Beinchen viel kürzer. Von Frauchen brauchen wir gar nicht reden. Die schnauft wie eine alte Dampflock (kicher) hinter uns her und wenn die Burg jetzt nicht endlich auftaucht, müssen wir sie wohl anschieben.

Doch dann entdecken wir zwischen den Bäumen die ersten Steine und nach einer weiteren Kurve stehen wir vor der ehemaligen Zugbrücke über den Burggraben. Die sah natürlich ganz anders aus, ist aber leider nicht mehr erhalten.

Nach dem mühseligen Anstieg haben wir uns jetzt eine kleine Rast und Stärkung verdient. Frauchen kann die trockenen Kekse essen und wir lassen uns die leckeren Früchte schmecken. Erstaunlicherweise lässt sie uns sogar gewähren. Wahrscheinlich ist sie vom Anstieg noch so fertig, dass sie nicht diskutieren mag. Gut für uns.

Burg Tannenberg wurde um 1230 von den von Münzenbergs erbaut. Doch schon 25 Jahre später gab es keine Münzenbergers mehr, da der damalige Burgherr kinderlos blieb. Die Schwestern erbten zwar die Burg, aber durch Heirat und Verkäufe gab es irgendwann 19 Eigentümer.

Einer davon fand es wohl einfacher durch räuberische Überfälle auf Kaufmannszüge zu Reichtum zu kommen. Dass das nicht lange gut gehen konnte, hätte er sich wohl denken können. 

Nach nur vier Jahren beschlossen die restlichen Fürstentümer es reicht und zogen mit Geschützen und Wurfmaschinen auf den Tannenberg.

Zuerst waren sie nicht sehr erfolgreich. 14 Tage lang gelang es ihnen nicht die Burg zu erobern. Doch dann kam die große Frankfurter Steinbüchse zum Einsatz und die Burg wurde restlos zerstört. Ist ja auch kein Wunder, wenn die mit solch mächtigen Steinkugeln geschossen haben.

Von der Burg geht es dann immer schön bergab zurück Richtung Seeheim-Jugenheim. Jetzt rächen sich ein wenig die beiden extra Kilometer, die wir heute morgen gelaufen sind. Unsere Drachenpfötchen schmerzen doch ein wenig. Zum Glück fängt es an zu regnen und so können wir ohne schlechtes Gewissen die Tour für heute abbrechen. Am eigentlichen Ziel sind wir ja trotzdem angekommen und den Schlenker zum Heiligenberg dürfen dann beim nächsten Mal unsere zwei Turteltäubchen Oskar und Rosalie machen.  



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Kommentare: 1
  • #1

    Ruby (Mittwoch, 05 Mai 2021 16:14)

    Hallo ihr lieben Reisedrachen Hieronymus und Karlchen,
    wow, da habt ihr ja wieder ganz wundertoll viele Sachen erlebt. Meine ganze Drachenfamilie inklusive unserer Mama Moni liest inzwischen begeistert die Berichte von euren Ausflügen (und hoffentlich bald auch wieder Reisen) und dieser Beitrag hat uns nicht nur wieder sehr gut unterhalten, wir haben auch an diversen Stellen schmunzeln müssen. Ich versuche mal, alle Kommentare, die meine Drachenfamilienmitglieder loswerden wollten hier zusammenzufassen:
    Chilli möchte euch gerne mitteilen, dass er es toll findet, dass ihr versucht habt, euer Frauchen anzufeuern, und findet es absolut unverhältnismäßig, dass euer Frauchen euch deshalb gleich mit einem Monat Schokiverbot droht.
    Unter uns, das Anfeuern ist schon nicht so nett, aber sollte es aufgrund irgendwelcher blöder Umstände doch mal zu einem Monat Schokiverbot kommen, dann meldet euch bei uns, wir helfen gerne aus. Wir Drachen müssen schließlich zusammenhalten und dass irgendein Drache hungern muss, ist ja unverantwortlich...
    Unsere Mama Moni würde übrigens auch am liebsten immer auf gleicher Höhe oder bergab wandern oder laufen...
    Unsere Mama Moni war übrigens mal an Halloween auf Burg Frankenstein unterwegs, allerdings zu einer Zeit bevor sie angefangen hat plüschige Drachen zu adoptieren, deshalb weiß ich davon nur vom Hörensagen. Wenn ihr da hingeht solltet ihr definitiv nur Drachen mit guten Nervenkostüm mitnehmen (und euer Frauchen auch nur dann, wenn die das auch hat). Unsere Mama Moni hatte dafür definitiv nicht die richtigen Nerven und konnte das dort deshalb wohl nicht ganz so genießen...
    Violetta möchte anmerken, dass sie sich besonders über die Erwähnung der kleinen Hexe gefreut hat. Das hat sie kürzlich gelesen, und findet, es sollte mehr Hexen wie die kleine Hexe geben. Wenn ihr also mal einer begegnet, dann hofft sie, dass es eine liebe Hexe wie die kleine Hexe ist!
    Also, wir finden ja nicht, dass du aussiehst wie ein Einhorn, aber manche Menschen sind in der Hinsicht einfach komisch, das mussten wir auch schon feststellen. Vor einer Weile hat jemand ein paar meiner Drachenfamilienmitglieder für Nashörner gehalten. Das finde ich ehrlich gesagt ähnlich absurd wie Drachen für Einhörner zu halten...
    Paffina findet übrigens, ihr wärt definitiv tauglich für Germanys Next Top Dragon...
    Chilli findet übrigens ebenfalls, dass so ein bisschen Hürdenlauf noch keinem Menschen geschadet hat, als ob man dafür ein Pferd bräuchte... Chilli hätte da sicher auch gekichert.
    Ich finde das ja ein bisschen gemein, ihr könntet euer Frauchen ja auch ermutigen, da klappt doch gleich alles viel besser! Auch der Vergleich mit der Dampflok und die Idee sie anzuschieben ist echt fies, die Arme!
    Alles in allem jedenfalls eine tolle Tour und wir freuen uns schon darauf, euren Bericht von der nächsten Etappe zu lesen!
    Liebe Grüße von Ruby und der ganzen Drachenfamilie