vive la Seine (3)

Die Hälfte der Zeit ist leider schon wieder um und unsere VIVA hat sich auf den Rückweg nach Paris gemacht. Den größten Teil der jetzt vor uns liegenden Strecke haben wir auf dem Hinweg nachts durchfahren. Die nächsten zwei Tage haben wir jetzt Zeit, die Örtchen an den Ufern näher zu erkunden. 

eine stolze Festung

20.09.2017

18°C
18°C
136 km 1.Schleuse
136 km 1.Schleuse

Die ganze Nacht sind wir durchgefahren und zum Frühstück liegen wir bereits vor Les Andelys.


Heute bewahrheitet sich mal wieder der Spruch: "der frühe Vogel fängt den Wurm“ (oder besser, den Nebel oder die ersten Sonnenstrahlen für den Tag)

Sehen die Kreidefelsen am Fluss und das Örtchen nicht bezaubernd aus im ersten Sonnenlicht und der Nebel hängt noch über der Seine? 

 Warum aber eigentlich Plural? Gibt es denn hier zwei Städtchen? Gibt es. Vorne am Fluss liegt Le Petit Andely und weiter landeinwärts im Tal Le Grand Andely. Über allem thront Chateau Gaillard, doch davon später mehr (um diese Zeit auch noch halb im Nebel versteckt) 

In Le Petit Andely lebten die Fischer und ich mag diesen Ortsteil mit seinem Kopfsteinpflaster und den alten Fachwerkhäusern, die so ganz anders sind, als unsere deutschen. 

Mitten drin, wie es sich gehört, die Kirche Saint-Sauveur. Nach den letzten Tagen bin ich ja etwas verwöhnt, was die Kirchen der Normandie mit ihren Portalen im Flamboyant Stil betrifft. Da ist man dann verwundert, wenn man plötzlich auf eine so schlichte Kirche trifft. Schön ist sie aber trotzdem.

 


Die beiden Andelys sind durch eine Avenue miteinander verbunden.

Ob man sich jetzt unbedingt auf den

20 minütigen Spaziergang Richtung

Le Grand Andely machen muss, weiß ich nicht.

Viel sehenswertes gibt es dort nicht, es sei denn man steht auf Legenden oder Kirchen und möchte eine weiter Notre Dame in die Liste aufnehmen. Schon mal aufgefallen, dass fast jeder Marktflecken hier seine Notre Dame hat? Von wegen, es gibt nur eine in Paris.

An Stelle der hiesigen stand bereits im 6.Jhdt ein Konvent für junge adelige Mädchen, errichtet von Königin Clothilde. Hier haben wir dann auch wieder das üppige Portal im schönsten Flamboyant Stil

und wunderschöne Glasfenster im Inneren. 

Der Königin Clothilde ist auch ein Brunnen gewidmet und mal wieder beruht der Grund für seinen Bau auf einem Wunder. Während der Bauarbeiten zum Konvent dürstete es die Arbeiter. Statt Wasser aus einem Brunnen zu holen, bat Clothilde Gott um Wasser. Der ließ aber köstlichen Wein aus dem Boden sprudeln. Ob das jetzt für die weiteren Arbeiten von Vorteil war, sei mal dahingestellt.

Alle, die jetzt dorthin pilgern und auf Wein aus dem Brunnen hoffen, muss ich leider enttäuschen. Dem Wasser wird aber heilende Wirkung zugeschrieben. Immerhin.

Damit wären wir mit den beiden Andelys durch, aber da ist ja noch das Chateau hoch über dem Fluss.

Natürlich sind inzwischen wieder Wolken aufgezogen, hinter denen sich die Sonne versteckt. War ja klar, dass mir kein Superblick bei Sonnenschein vergönnt ist. Trotzdem mache ich mich auf den Weg hinauf zur Burg.

Habt ihr euch mal die Seine auf der Karte angeschaut?

In 20 mehr oder weniger großen Bögen schlängelt sie sich von Paris bis zum Atlantik. Da ist nichts mit Fluss-Begradigung wie bei Vater Rhein und doch haben sie einiges gemeinsam. Auch an den Ufern der Seine trifft man immer wieder auf romantische Fachwerkstädtchen und hoch auf den Felsen erblickt man stattliche Burgen.

 

Kein geringerer als Richard Löwenherz ließ sich seine Burg hier 1196 errichten. Eine gute Wahl, denn der Kalkfelsen steht in einer der vielen Schleifen und von hier oben kann man den Fluss in alle Richtungen überblicken. Da schleicht sich auf dem Wasserweg so schnell kein Feind an.

Ein großes Problem gab es bei vielen Burgen. Wie kommt man im Falle einer Belagerung an Trinkwasser. Auch bei diesem Chateau war das sicher eine riesige Challenge die drei Brunnen zu graben. 120 Meter tief sind sie und enden erst

20 Meter unter dem Ufer der Seine. Doch einen Vorteil hatte der hohe Kalkfelsen. Es war genügend Platz für Kellerräume. Verhungert wäre hier bei einer Belagerung sicher keiner.

 Doch Richards Verteidigungsanlage war weit mehr als diese wehrhafte Burg auf dem Berg. Es gab eine Reihe von befestigten Vorposten, ein Netz von Schützengräben am gegenüber liegenden Flussufer und eine befestigte Insel in der Strommitte. Zusätzlich waren Ketten gespannt und Holzpfosten im Wasser ließen kein Schiff so ohne weiteres durch. Kaum zu glauben, dass diese Festung in nur einem Jahr errichtet wurde. Dafür waren aber auch 6000 Arbeiter nötig.

Schaut euch doch nur mal diese dicken Mauern an. Da war eine Eroberung gar nicht so einfach. Clever war der Eisenherz ja schon. Baut seine

Mauern im halbrund. Dadurch gibt es keine toten Winkel und man kann sich durch die Schießscharten in beide Richtungen verteidigen. Ich hoffe, er hat es sich patentieren lassen, denn diese Bauweise war etwas komplett neues im Frankreich des 12. Jhdts.


Man könnte jetzt meinen, so eine Burg sei uneinnehmbar gewesen. War sie aber nicht. 1204 gelang es den Franzosen nach nur sechs Monaten Belagerung die Garnison zu erobern.

Wie sie das gemacht haben?

Der Sage nach, drangen sie durch die Latrinen in den unteren Hof ein. Für wahrscheinlicher halte ich aber die Version, dass sie durch eines der Kapellenfenster kletterten. Den Weg hätte ich zu

mindestens gewählt.

 

Übrigens lohnen sich die 3.00 € Eintritt für das Innere der Burg nicht wirklich. Außer einem dunklen Kellerloch ist dort nicht viel zu entdecken. Doch alleine wegen dem Blick von hier oben lohnt sich der Aufstieg (selbst bei trübem Wetter) 

Zur Abfahrt gegen Abend präsentieren sich Ort und Burg noch mal von ihrer schönsten Seite.

der Seerosenteich

21.09.2017

20°C
20°C
26 km
26 km

Gestern noch am späten Abend sind wir in Vernon eingelaufen. Nach einem leckeren Frühstück bin ich für einen Ausflug bereit.

 

Ich bin ja nicht so versiert was die Malerei im Allgemeinen und den Impressionismus im Besonderen betrifft. Schuld daran mag wohl mein Kunstlehrer sein, dessen Unterricht ich tödlich langweilig fand. Trotzdem werde ich dem Vormittag ein wenig der Kunst widmen. Monet ist sogar mir ein Begriff. Der hat sich mit seinen freizügigen Bildern beim Pariser Salon eher unbeliebt gemacht. Hier konnte jeder seine Werke von einer Jury beurteilen lassen und mit einer Auszeichnung derselbigen ließen sich die Bilder besser verkaufen. Die bekam man aber nicht, wenn man nackte Damen darstellte. Das war ein Skandal. Blieb Monet nur eines, den Stil ändern oder seine Werke ohne den Salon auszustellen. Er verzichtete auf den Salon und schon bald folgten andere Künstler seinem Beispiel. Viele Maler zog es damals von Paris an die Seine oder sie lebten bereits an deren Ufern. So kam es zum Malereiboom am Fluss und die Seine und ihre Häfen tauchen immer wieder als Motiv auf.


Nicht weit von Vernon liegt das Dorf Giverny, unser Ziel am heutigen Morgen. Leider nicht nur unser. Am Parkplatz stehen schon ein Dutzend Busse und das zur Nebensaison. Das kann ja lustig werden. Übrigens gibt es von Vernon aus auch einen Shuttle hierher. Mann muss also nicht unbedingt am organisierten Ausflug teilnehmen, zumal das Schiff bis zum späten Nachmittag dort vor Anker liegt, man also alle Zeit der Welt hat.

Der Ort selber ist winzig und hat außer einer Kirche nicht viel zu bieten.

Doch wegen einer ollen Kirche zieht es nicht Tausende von Touristen hier her. Das muss doch noch einen anderen Grund haben. Hat es auch, denn hier steht das Haus, in das Monet einzog, als er sich sozusagen zur Ruhe setzten wollte. Sein Künstlerleben hatte er hinter sich und wollte sich nun nur noch seinem Garten widmen und diesen malen. Viel Liebe und Arbeit steckte er hinein und stieß bei seinen Nachbarn nicht unbedingt auf Gegenliebe. Die waren skeptisch, was die exotische Pflanzen betraf und als er gar Wasser vom Fluss für seinen Seerosenteich abzweigen wollte, war Schluss mit lustig. Bekommen hat er ihn trotzdem, den Seerosenteich. Gemalt hat er ihn auch und berühmt ist er auch geworden.

 

Zu bewundern ist der Teich noch heute.

Leider sind wir zur falschen Jahreszeit da – kaum noch blühenden Seerosen. Der wunderschöne Japanische Garten macht das aber wieder wett.

Egal zu welcher Jahreszeit man Giverny besucht, man wird immer blühende Blumen vorfinden und

die Masse der Touristen verteilt sich recht gut auf dem Grundstück (zumindestens jetzt in der Nebensaison).

Ein Besuch seines Hauses muss auch sein. Selbst hier erkennt man den Maler, wirkt das Haus doch selbst wie ein Gemälde: Kupferkannen vor blauen Fliesen und Holzschnitte vor gelben Tapeten.

Leider ist fotografieren im Inneren verboten, daher nur der Blick von außen.

 


Von Giverny wären wir in wenigen Minuten wieder in Vernon, welches am anderen Ufer der Seine liegt. Kurz bevor man die Brücke überfährt, liegt rechter Hand das wohl meist fotografierte Haus der Stadt. Einige von uns würden hier gerne aussteigen und den Rest zu Fuß gehen. Wird nach Rückfrage von der Cruiseleitung abgesegnet, aber nur wenn unser Fahrer einen sicheren Halt zum Aussteigen findet. Wir sind ja jetzt schon ein paar Tage mit unserem Watzlaf unterwegs und ich hätte wetten können, der findet einen sicheren Halt und wenn er ihn erschaffen muss. Die Wette hätte ich gewonnen.

Städtchen und Dörfer an Flüssen entstehen ja nicht einfach so. Meistens steckte ja ein Grund dahinter und auch bei Vernon erkannten schon die alten Kelten, dass hier eine günstige Stelle war, um den Fluss zu überqueren. Eine erste Brücke entstand zu Zeiten der Wikinger, die den Ort auch weiter ausbauten. Im Mittelalter wurden die Brücken mit Mühlen versehen, damit man mit Wasserkraft Getreide malen konnte. Die letzten Bögen der alten Brücke und eine Mühle sind noch erhalten. Und auch heute findet man bei schönem Wetter genügend Künstler, die das Motiv auf Palette (oder Chip) festhalten.

Den Nachmittag verbringe ich dann in Vernon. Unser Schiff liegt günstig und nur wenige Meter vom Stadtkern. Eigentlich hätte ich hier gerne trotzdem den geführten Ausflug gebucht, denn der hätte einen Besuch vom Chateau de Bizy enthalten. Das liegt am Stadtrand und bis dahin mag ich jetzt nicht unbedingt laufen. Will ja schließlich nicht, dass die VIVA um 17:30 Uhr ohne mich davon fährt. Leider sind außer mir nicht genügend weitere Gäste an dem Schloss interessiert. Verstehe einer die Kreuzfahrtgäste. In Les Andelys, wo es echt nicht viel zu sehen gibt und man ganz ohne Guide den Weg zur Burg findet, gibt es genügend, die bereit sind für einen Ausflug zu bezahlen. In Vernon hingegen, wo man die Sehenswürdigkeiten eher suchen muss und der Weg zum Schloss einem einstündigen Spaziergang gleichkommt, hat plötzlich keiner Interesse. Ich tröste mich jetzt damit, dass die nächsten drei Tage ja noch sehr Schloss-lastig werden. 

Das Städtchen Vernon kann ich locker auf eigen Faust erobern. Ich habe vor der Reise bereits das Internet befragt, was es an Sehenswertem gibt. Man kann auch einer historischen Tour mit Infotafeln folgen. Die beginnt direkt am Anleger. Ich habe es versucht, aber die Richtungsangaben sind ein wenig verwirrend und ohne Karte funktioniert es überhaupt nicht.

Der Anfang ist ja noch einfach. Gleich an der Anlegestelle treffe ich auf ein außergewöhnliches Haus. Hier lebte einst der letzte Lehnherr von Vernon, der Herzog von Penthièvre. Günstige Lage, denn hier befand sich auch das Wassertor, eines von ehemals fünf Stadttoren.

 

Früher war dies das Viertel der armen Bevölkerung. Man kann es heute nicht mehr sehen, aber einst waren hier die Eingänge zu den Häusern erhöht, damit die immer wiederkehrenden Fluten nicht in die Wohnungen schwappten. 

Weiter geht es durch enge Gassen um die Kirche herum. Schön, dass sie von den Bomben verschont blieben. Ob es wieder an der Kirche lag, die man nicht treffen wollte? Wäre auch schade drum gewesen, aber es ist schon auffällig, dass rings um die Kirche in den meisten Städtchen noch alte Bausubstanz vorhanden ist. 


An ihr hat man insgesamt 500 Jahre gearbeitet, da ist es ja kein Wunder, dass die Bögen und Säulen im Chor romanisch und die Fassade im Flamboyant Stil sind. Tut ihrer Schönheit aber keinen Abbruch und ohne Guide hätte ich es sowieso nicht erkannt.

Kirchen sind ja bekanntlich gute Orientierungspunkte, weil man sie bereits von weitem sieht. Daher habe ich auch noch keine Probleme den nächsten Punkt des Stadtrundganges zu finden, die Kirche Notre Dames (schon wieder eine Notre Dames)


und das ehemalige Kaffeehaus. Auch praktisch. Konnte man sich doch dort nach dem Gottesdienst auf einen Plausch treffen. Bin mir sicher, es gab für die Herren auch Kaffee mit Schuss. Für mich eines der schönsten Häuser in Vernon.

Gegenüber der Kirche das Rathaus (wie sich das für eine anständige Stadt gehört)

 

 

 

Jetzt bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich aufgebe. Bis hierher war es ja noch recht einfach den Richtungsangaben zu folgen, da das nächste Ziel in Sichtweite lag. Das ist jetzt nicht mehr der Fall und ich beschließe die Tour hier abzubrechen und meinen eigenen Weg zu gehen.

 

Dabei komme ich auch an den Place de Gaulle. Hier sieht man sehr gut, was man der Stadt bei den Angriffen im Frühjahr 1944 angetan hat. Nur noch ein paar alte Häuser stehen zwischen Neubauten.


Am Tour des Archieves vorbei führt mein Weg in großem Bogen zurück zum Anleger. Der Turm war einst Teil der Festung, denn eine so strategisch günstige Stelle am Fluss musste ja bewacht und beschützt werden. 

 

 

Warum jetzt ausgerechnet die Rue Potard von den Bomben des Zweiten Weltkrieges komplett verschont blieb, wer weiß das schon. Für mich ist das aber gut, denn hier stehen noch ein paar richtig schöne Exemplare an alten Häusern. 

 

 

 

Erst auf den zweiten Blick entdecke ich die geschnitzten Köpfe an der Fassade eines der Häuser.  Wen die Karikaturen wohl darstellen sollen? 

 

 

 


120 Kilometer und drei Schleusen trennen uns noch von Paris oder anders ausgedrückt, nur noch zwei Nächte und dann ist diese Kreuzfahrt leider schon wieder vorbei.

vive la Seine (4)