Höhlen und steinerne Bögen
07.11.2016


Am gestrigen Abend haben wir unsere Fahrt auf der Rhone begonnen. Die Rhone ist erst mal total falsch. Der Rhone (wie auch der Rhein oder der Main) müsste es nämlich eigentlich heißen, wird er doch als Figur unverkennbar männlich dargestellt. Der Rhone funktioniert aber nach den Gesetzen unserer deutschen Sprache nicht, bzw hört sich falsch an, deshalb bleiben wir bei der Rhone.
Sie ist der wasserreichste Fluss des Landes und nach der Loire mit 812 Kilometern der zweitlängste.
Davon entfallen aber nur 552 Kilometer auf Frankreich und selbst die werden wir nicht komplett abfahren. Würde man in fünf Tagen wohl auch nicht schaffen.
In der Nacht haben wir es bereits 130 km gen Süden geschafft und dabei fünf Schleusen passiert. Der Morgen begrüßt uns mit Sonne, den letzten Nebelfeldern und der nächsten Schleuse.
Ordentlich Fahrt hat unsere "Stella“ in der Nacht gemacht oder sie hatte einfach Glück bei den Schleusen. Jedenfalls sind wir vor der Zeit in Viviers. Aber ein anderer Flussdampfer war noch schneller und so legen wir heute mal in zweiter Reihe an. Dadurch dauert es ein wenig länger bis das Schiff frei gegeben werden kann.

Macht aber gar nichts. Wir sind so früh, dass ich genug Zeit habe mir das Städtchen Viviers anzuschauen, bevor der gebuchte Ausflug startet. Das ginge dank einer ordentlichen Beschilderung sogar ohne Stadtplan, aber zum Glück gibt es ja an Bord die Hafeninformationen incl Stadtplan zum mitnehmen.
Vom Anleger führt eine Platanenstraße Richtung Ort. Am Brunnen einmal abbiegen und schon stehe ich in der Grande Rue, die erst mal leicht bergauf quer durch den Ort führt.
Prunkbauten sucht man hier vergebens, war es doch der Stadtteil der ärmeren Bevölkerung. Hier lebten bis zu 30 000 Menschen unter primitiven sanitären Bedingungen. Aber vielleicht macht das ja gerade den Charme von Viviers aus. Ist doch manchmal gut, wenn man als Stadt keine all zu bedeutende Rolle in Wirtschaft und Politik spielt. Dann hat auch keiner Interesse daran anzugreifen und zu erobern. So blieb hier das mittelalterliche Stadtbild erhalten und damit bringt man es dann zum UNESCO Weltkulturerbe. Zum Glück hat sich das auch noch nicht in der Welt herum gesprochen und so habe ich die schmalen Gassen fast für mich alleine (was schon fast wieder ein wenig unheimlich ist)
Am Ende der Grand Rue befindet sich die einzige Kirche der Unterstadt, die Kapelle von St Hostian

und der ehemalige Papstpalast, in dem heute das Rathaus untergebracht ist. Sandstein mag zwar schön ausgesehen haben und war vielleicht auch leicht zu bearbeiten, aber nicht für die Ewigkeit gedacht. Der Zahn der Zeit hat doch so seine Spuren hinterlassen.



Wenn es eine Unterstadt der Händler gibt, muss es wohl auch eine Oberstadt geben. Gibt es auch und hier steht die Kathedrale. Na, wer hatte dann wohl dort seine Sitz? Klar die Geistlichen und denen ging es ja schon immer besser als dem gemeinen Volk. Allerdings hat es Viviers auch einem Bischof zu verdanken, dass es während der Französischen Revolution von Plünderung und Zerstörung verschont blieb. Zum Glück und so wollen wir mal nicht so sein.
Was sagt uns jetzt aber Oberstadt? Genau, die liegt oben und ich bin noch unten. Wenn ich also einen Blick auf die Kathedrale werfen will, muss ich wohl ein paar Stufen in Kauf nehmen, bis ich den Eingang zur oberen Stadt erreiche. Ein paar viele, aber der Blick vom Aussichtspunkt auf die Stadt und den Fluss lohnt die Anstrengung.

Die Kathedrale wirkt so ganz anders, als die bisher gesehenen. Ist auch kein Wunder, denn sie wurde über die Jahrhunderte immer wieder architektonisch verändert. Nicht unbedingt zu ihrem Vorteil, wie ich finde. Dafür beherbergt sie im Inneren fünf wunderschöne Gobelins.

Gleich daneben steht der Turm Saint Michel, 40 Meter hoch und architektonisch ebenfalls zweigeteilt in einen romanischen Teil (unten) und den gotischen Teil (oben). Von seiner Dachplattform konnte bei Überfällen Alarm geschlagen werden.
Jetzt wird es aber langsam Zeit für mich den Rückweg zum Schiff anzutreten, denn in 30 Minuten geht es los zur Tour in die Ardèche.

Bevor wir uns aber dieser malerischen Landschaft widmen, ist ein Stopp am kleinen Lavendelmuseum angesagt. Diese Pflanze mit ihren duftenden Blüten ganz in lila ist zu einem Symbol der Gegend geworden. Nur zu schade, dass die Ernte bereits im September war. Zu gerne hätte ich die Felder in ihrer lila Farbenpracht gesehen. So aber müssen wir mit der Geschichte der Lavendelproduktion vorlieb nehmen.
Zu lange dürfen wir uns aber nicht aufhalten, denn es wird ja bekanntlich schon früh dunkel und den Höhepunkt der Gegend wollen wir noch bei Sonnenlicht erleben.
Hier, südlich von Viviers erstreckt sich eine stark zerklüftete Landschaft, die Ardèche. Ihren Namen verdankt sie einem zwar kleinen, aber stark fallenden Fluss, der nach 119 Kilometern und tausenden von Windungen in die Rhone mündet.

Die Gegend hier besteht aus Kalkstein, der dem Wasser nicht wirklich viel Gegenwehr entgegensetzt. Kein Wunder also, dass hier der größte Canyon Europas mit steilen Hängen, Höhlen und Naturbögen entstanden ist.
Am Fluss entlang führt eine kurvenreiche Panoramastraße, die zu den schönsten in Südfrankreich gehört. Das wissen auch die Touristen und entsprechend knapp werden in der Hochsaison die Parkplätze an den Aussichtspunkten. Wie gut, dass heute außer uns nur wenige Autofahrer unterwegs sind.
Sonst hätten wir das Highlight wohl auch nicht mehr vor Sonnenuntergang erreicht.
Die Pont-d'Arc ist nämlich ein, vom Wasser geschaffener Bogen. Unermüdlich und über Jahrtausende hat der Fluss hier seinen Weg regelrecht durch den Fels gefressen.

Bevor wir uns jetzt auf den Weg zurück zum Schiff machen, wollen wir noch eine der vielen Höhlen besichtigen. Ein Ziegenhirte hat sie auf der Suche nach einer vermissten Ziege gefunden.

Die Madeleine-Höhle ist 65 Meter tief in der Erde. Ihr eigentlicher Eingang befindet sich etwa auf Flussniveau und kann nicht mehr genutzt werden. Deshalb müssen wir uns von oben über eine weitere Höhle herantasten. Im Gegensatz zu den, doch bereits recht kühlen Temperaturen draußen ist es im Inneren der Höhle mit 15°C kuschelig warm und extrem feucht (und das nicht nur, weil es am Vortag geregnet hat). 210 teils steile und durch den Regen schlüpfrige Stufen geht es in die Tiefe. Nur blöd, dass wir die später alle wieder hoch müssen. Können wir nicht einfach den alten Ausgang nutzen?
Würde aber auch nichts bringen, denn der Bus steht ja oben auf dem Plateau. Der Abstieg wird aber belohnt durch wunderschöne Stalagmiten und Stalaktiten.


Wieder an Bord bleibt gerade noch Zeit für eine Dusche und dann wartet schon das Abendessen auf uns.





weiße Pferde und pinke Flamingos
08.11.2016



Bereits um 4:00 Uhr in der Früh haben wir in Arles angelegt. Ausschlafen ist heute auch nicht, denn wir wollen in die Camargue und der Ausflug startet bereits um 8:30 Uhr.

Wenn schon Camargue, dann richtig, habe ich mir gedacht und deshalb die etwas teurere Variante mit dem Jeep gewählt. Vielleicht kann der doch den einen oder anderen Weg fahren, wo der Bus nicht lang kommt. Zu mindestens kann der mal halten, wenn was interessantes zu sehen ist. Ob wir wohl die Wildpferde entdecken werden?
Die Info der Reiseleitung, dass der Bus die bequemere Variante sei, hat wohl viele von der Jeepfahrt abgeschreckt. Finde ich prima, denn so sind wir gerade mal drei Personen, die sich auf das Abenteuer einlassen.
Der Parc Naturel Regional de Camargue ist 120 000 Hektar groß und etwas mehr als ein Viertel davon ist Wasser, verteilt auf Seen, Sümpfe und Wasserläufe.
Zuerst geht unsere Fahrt durch den nördlichen Teil. Dieser ist geprägt von Landwirtschaft. Sogar Reis wird hier angebaut.


In diesen Häuschen lebten die Hirten oder auch Gardians um nah bei den Herden zu sein.
Na, wie wäre es mit einem romantischen Wochenende zu zweit ohne Strom und Heizung?

Zwischendrin sieht man immer wieder mal Herden von Taureaux-Stieren und den weißen Camargue-Pferden.
Diese Pferde sind schon so alt wie die Menschheit, sind sie doch bereits auf Höhlenzeichnungen zu finden. Die Fohlen werden dunkel geboren und es dauert bis zu sechs Jahre, bis sie ihre weiße Farbe haben. Die Pferde sind perfekt an das Leben in den Sümpfen angepasst und können ähnlich wie Nilpferde ihre Nasen verschließen. Dadurch können sie selbst auf überfluteten Weiden grasen. Übrigens gibt es in der Camargue keine echten, freilebenden Wildpferde mehr. Die Herden, die man trifft, sind alle in Menschenhand. Und wieder bin ich einer Illusion beraubt.

Genauso ist es mit den Stieren. Sie werden für den Stierkampf gezüchtet, der in der Camargue zum Glück nur in der unblutigen Variante vorkommt. Taugt ein Stier nicht zum Einsatz in der Arena, kommt er auf den Teller. Es gibt aber noch einen dritten Grund, warum man sie hält und der hat mit Tradition zu tun. Diese wunderschönen schwarzen Stiere gehören einfach zum Bild der Camargue und was wären die Gardians, die französischen Cowboys ohne sie.

Und deshalb steht ihnen zu Ehren auch ein Denkmal im kleinen Städtchen Les Saintes-Maries de la Mer, der heimlichen Hauptstadt der Camargue.
Übrigens nenne man sie niemals Cowboys, das mögen die nämlich gar nicht.
Nicht weit davon die Arena, wo die Stierkämpfe statt finden. Davor zwei prächtige Exemplare der Gattung Taureaux-Stier. Beides Legenden; der eine bereits tot, doch der andere kämpft noch immer siegreich in der Arena (und frisst mir brav aus der Hand).
Ansonsten hat das Städtchen außer der Kirche nicht viel an Sehenswürdigkeiten. Diese wurde zwischen dem
9. und 12. Jhdt nicht weit von der Mündung der Petit Rhone erbaut. Auffällig sind die Schießscharten, die man an einem Gotteshaus wohl eher nicht vermuten würde. Tja, diese Kirche ist sozusagen "multi-tasking“: einerseits Wallfahrtskirche für die Marienverehrung und andererseits Wehrkirche um Piraten und sonstige Invasoren abzuwehren.
Jetzt, im November wirkt das Städtchen recht verschlafen. Das wird sich aber im nächsten Sommer schlagartig ändern, wenn über 50 000 Touristen in das 2500-Seelen Örtchen einfallen. Ganz ehrlich, mir gefällt es so verschlafen viel besser.
Zurück geht es entlang der großen Salzseen des südlichen Deltas.


Hier sind die Wasservögel zuhause, allen voran die Flamingos. Jetzt zeigt sich auch, dass die Jeepwahl eine gute Wahl war, denn auf den holprigen Straßen kann kein Reisebus fahren und nur so kommen wir ganz nah an die rosafarbenen Vögel heran.
Aber auch Reiher und sogar Schwäne sieht man hier. Selbst einen Kingfisher haben wir entdeckt. Der war aber recht fotoscheu und gleich wieder verschwunden.
Kreuzfahrten können ja ganz schön in Stress ausarten, besonders wenn man alles sehen möchte.
Um 12:15 Uhr sind wir wieder am Schiff und um 14:00 Uhr geht es weiter in die Provence.
Stellt sich mir die Frage zu Mittag essen oder wenigstens die römische Arena von Arles sehen. Die Römer gewinnen den Disput.
Arles ist eine geschichtsträchtige Stadt. Man muss nur tief genug graben und stößt bis ins 6. Jhdt v Chr vor.
Arelate, so nannten die Römern die Stadt, verdankt ihrem Reichtum eigentlich dem felsigen Boden, obwohl der ja wohl für die Landwirtschaft nicht viel taugt. Jedoch zwingt er die Rhone hier in ein enges Bett, was den Bau einer Brücke vereinfachte und damit den Weg von Spanien nach Italien. Was bringt das? Handel und der ließ die Stadt aufblühen. Um 400 wurde Arles dann Verwaltungszentrum eines riesigen Gebietes und galt als gallisches Rom. Aus dieser Zeit ist das römische Amphitheater erhalten geblieben.

Vom Schiff aus ist es zum Glück nur ein kurzer Fußmarsch bis dort hin. Schon von weitem kann man es erkennen. 136 Meter ist es lang, 106 Meter breit, mit Zuschauerrängen auf zwei Etagen für bis zu 20 000 Menschen. Viel zu groß für eine Stadt wie Arles, aber aus Repräsentationsgründen (oder weil man einfach nur angeben wollte) musste das so sein.
War vielleicht aber unwissentlich vorausschauend gedacht, denn nach dem Zerfall des Römischen Reichs, zogen sich die Einwohner bei Unruhen gerne hierher zurück.
Gleich nebenan findet sich ein weiteres, älteres Theater. Dem erging es nach den Römern nicht ganz so gut, wurde es doch als Steinbruch missbraucht. Selbst im Kreuzgang von St Trophine kann man Überreste finden.
Noch ein wenig durch die Gassen rund um das ehemals Römische Reich gestreift und dann muss ich auch schon wieder zum Schiff. Eigentlich schade, denn in Arles hätte man sicher noch mehr entdecken können.
Zum Abschluss des Tages erwartet uns dann noch ein Abstecher in die Provence, nämlich nach Aix-en-Provence. Obwohl Aix die zweitgrößte Stadt der Provence ist, ist das historische Zentrum doch recht übersichtlich.

Zentraler Punkt ist der Place General de Gaulle mit der Fontaine de la Rotonde. Mit seinen Statuen und den Löwenpaaren ist der Brunnen kaum zu übersehen.




Von hier führt mich die Platanen bewachsene Cours Mirabeau Richtung Altstadt. Entlang des Weges befinden sich weitere Brunnen.
Bei den Außentemperaturen, kommt mir das Wasser des bemoosten Brunnen seltsam warm vor. Ist ja auch kein Wunder, wird es doch von einer Thermalquelle gespeist und hat 18°C.

Am Ende der Allee erwartet mich dann König Rene mit einer Traube in der Hand. Muss wohl ein Weinliebhaber gewesen sein, denn er ließ die Trauben in der Provence anbauen.
Durch einen engen Gang geht es nun hinein in die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen,
alten Häusern
und wunderschönen Plätzen, wie dem Place d'Albertas, der 1745 eben für jenen Marquis erstellt wurde und zwar ganz im Stil der Pariser Mode. Der Brunnen kam aber erst viel später hinzu.

Was mir hier besonders auffällt sind die vielen Adelshäuser mit ihren verzierten Fassaden und Atlanten. Einer stattlicher als der andere. Da würde ich mir mein Haus, doch nach dem Herrn auswählen, der meinen Balkon trägt. Sind ja ein paar ganz ansehnliche Mannsbilder dabei.

Daneben die ehemalige Getreidehalle mit einem wunderschönen Giebel. Der stellt die Flüsse Rhone und Durance dar.

Was fehlt jetzt noch, um den Rundgang komplett zu machen? Klar, die Kathedrale, denn die fehlt in keiner Stadt.

Im Zentrum dann, wie sich das für eine anständige Stadt gehört, das Rathaus im italienischen Stil und einem Belfried.


Womit wir den endgültigen Beweis hätten, dass die Rhone eigentlich der Rhone ist, denn männlicher geht ja wohl nicht, oder?

An Gargouilles hat man hier leider gespart. Schade, denn ich habe die kleinen Kerlchen richtig lieb gewonnen. Dafür gibt es ein paar Heilige
und im Inneren ein riesiges Taufbecken für die Erwachsenentaufe, in das man komplett hineinstieg (wie auch im Jordan) und eine wunderschöne Orgel.
Damit ist unser geführter Rundgang beendet und wir dürfen uns alleine Richtung Busparkplatz zurück begeben. Die Sonne steht schon tief und in den engen Gassen ist es inzwischen richtig kalt geworden. Da kommt mir der Maronimann doch gerade recht. Erstens sind die Kastanien lecker und zweitens wärmen sie so schön die Hände. Wenn die Wildsau aber glaubt, ich würde mir ihr teilen, hat sie sich getäuscht. Da kann es noch so viel Glück bringen, wenn man ihr die Nase reibt.
Wir kehren mit dem Bus nicht nach Arles zurück, denn unsere "Stella“ hat sich heute Nachmittag bereits auf den Weg nach Avignon gemacht. Zeitgleich und genau richtig zum Abendessen kommen wir dort mit ihr an.
Da ich mich ja heute für Arles statt Mittagessen entschieden hatte, habe ich jetzt richtig Kohldampf und freue mich auf das Buffet.





Seit das Schiff Arles verlassen hat, befinden wir uns leider schon wieder auf der Rückfahrt. Aber es bleiben uns ja noch zwei Tage