ein gigantischer Bulle
28.11.2015


Die Zivilisation hat uns wieder und das bedeutet neue Tempel, aber zur Abwechslung auch Paläste.
Mysore wirkt im Vergleich mit den anderen südindischen Städten viel freundlicher und nicht so hektisch. Der heutige Name leitet sich vom Mayisur (Büffelstadt) ab.
Der Sage nach gehörte die Gegend um die Stadt dem Büffeldämon Mahisasur. Dieser wurde von der Göttin Durga bekämpft und erschlagen. Ein Bildnis dazu haben wir im Felsentempel von Mamallapuram gesehen.

Wie sich das für eine Fürstenstadt gehört gibt es hier endlich auch mal einen Maharaja-Palast. Wer, wie ich, bereits Rajasthan bereist hat, wird diese wunderschönen Paläste hier im Süden vermissen.
Mitten in der Stadt liegt der Palast und nimmt einen ordentliche Fläche ein. Vom britischen (die schon wieder) Stararchitekten Henry Irwin wurde er entworfen und 1912 errichtet. Zuvor stand dort ein Holzpalast, der aber 1897 den Flammen zum Opfer fiel. Ganze 4.2 Mio Rupien hat der Bau gekostet. Wen wundert es da, dass um so ein prachtvolles Gebäude gestritten wird. Seit 1998 ist per Gerichtsurteil die Landesregierung stolzer Besitzer. Das gefällt der Fürstenfamilie, die einen Teil des Palastes bewohnt natürlich gar nicht. Sie wollen mehr als nur Wohnrecht und haben Berufung eingelegt. Sieht so aus, als sei hier das letzte Wort noch nicht gefallen.
Tore hat das Prachtstück derer vier, aber nur durch eines, nämlich das Südtor kann es betreten werden.
Natürlich wollen wir auch sehen, wie es sich in so einem Palast denn lebt. Leider ist fotografieren im Inneren verboten.
Durch ein beeindruckendes riesiges Elefantentor gelangt man in den Palast. Dahinter ist ein goldener Elefantensitz zu bestaunen. Wozu hat der jetzt aber so viele rote und grüne Lichter? Wer dabei an eine Ampel denkt, liegt gar nicht so verkehrt. Mit den Lämpchen signalisierte der Herrscher seinem Elefantenführer, ob er anhalten wollte (rot) oder ob es weiter gehen konnte (grün).
Wie sich das für einen Palast gehört, wurde bei der Ausstattung nicht gespart. Wozu auch, man hatte ja das Geld.
Besonders eindrucksvoll sind der Peacock Pavillion mit seinem böhmischen Kristall-Lüster und Pfauenmotiven aus belgischem Glas. Na, da war mal jemand in Europa shoppen und hat alles importieren lassen, was gut und teuer war. Nix Made in China und so.
Nicht weniger großartig ist die Durbar Hall mit ihren goldverzierten Säulen und Deckenmalereien. Da kann man dann bei Audienzen so richtig angeben.
Nicht ganz so pompös kommt die private Durbar Hall daher. Dafür hat sie eine wunderschöne Elfenbein-Tür, die zum benachbarten Ganesha-Tempel führt.


Neben dem Palast hat Mysore noch eine Attraktion zu bieten, nämlich Indiens zweitgrößten Nandi-Bullen. Zu finden ist er hoch oben auf dem Chamundi Hill. Fünf Meter ist der gute hoch und angeblich in nur einer Nacht aus einem Granitblock gemeißelt.
Wer in dreimal barfüßig umrundet, dem werde ein Wunsch erfüllt (heißt es). Da dieser Zauber bei mir sowieso nie funktioniert, lasse ich die Schuhe an und bewundere ihn von außen.

Ebenfalls auf dem Hügel befindet sich der Sri-Chamundeshvari-Tempel. In ihm befindet sich die goldene Statue von Chamundi, der Schutzgöttin der Stadt. Sie ist eine Form von Durga, der bösen Variante von Parvati. Immerhin hat sie den Büffeldämon getötet, da kann man ihr schon einen Tempel weihen.
Tausendfach interessanter finde ich aber das Treiben um den Tempel. Heute ist Samstag und Horden von Gläubigen kommen mit Bussen herbei. Der Kölner Dom ist ein Dreck dagegen. Überall stehen
Händler und verkaufen Gaben, um die Göttin Milde zu stimmen, aber auch Allerlei zur Befriedigung weltlicher Gelüste.
Unsere Gruppe fällt natürlich auf und schon sind wir umringt, werden ausgefragt und jeder will ein Selfi mit uns Ausländern.
Hier könnte ich noch ein Weilchen bleiben und dem Treiben zuschauen. Wenn unser Guide nur nicht immer so eilig davon stürmen würde. Man läuft ständig Gefahr den Anschluss an die Gruppe zu verlieren.
Noch ist nicht aller Tage Abend und wir machen noch einen Abstecher zum Devaraja-Markt. Märkte finde ich überall auf der Welt einladend und faszinierend und dieser zählt zu den
farbenprächtigsten in Südindien.


Was sich aus Blumen so alles herstellen lässt, kann man zwei Reihen weiter beobachten



Hat sicher was mit den vielen bunten Pyramiden aus Kunkum-Farbpulver zu tun, die meine Fotografenfinger jucken lassen. Hannes verweigert aber vehement eine Umfärbung, dabei würde ihm pink sicher auch gut stehen.



und dass es so viele Bananensorten gibt, war mir bisher auch neu. Scheint hier aber reißenden Absatz zu finden, bei den Mengen.

Aber nicht nur Bananen gibt es, sondern viele andere bekannte (oder auch weniger bekannte) Obst- und Gemüsesorten.
Auch hier wäre ich gerne länger und alleine durch die Gassen geschlendert. Es macht leider wenig Sinn, wenn der Guide ohne großartige Erklärungen durch den Markt rennt und man krampfhaft versucht Schritt zu halten, um den Anschluss nicht zu verpassen. Dabei würde ich viel lieber stehen bleiben, schauen und fotografieren.
Nach einer Mittagspause geht es weiter nach Srirangapatna, das auf einer Insel im Cauveri-Fluss liegt.
In der dortigen Festungsanlage wurde Geschichte geschrieben, blutige Geschichte.
1454 ließ der Herrscher von Vijayanagar hier ein Fort errichten, damit sein Vizekönig den südlichen Teil des Reiches im Auge behalten konnte. Im 16.Jhdt war es dann vorbei mit der Macht und die Fürsten von Mysore hatten das Sagen.
Nicht für lange, denn schon 1761 stürzte Haidar Ali die neuen Machthaber und machte Srirangapatna zu seinem Stützpunkt. Es musste doch möglich sein den britischen Kolonialherren Widerstand
zu leisten. Das gelang ihm immerhin 38 Jahre lang. Vielleich hätte er einen Zaubertrank gebraucht wie die Gallier. So aber gelang es den Briten die Festung zu stürmen und endlich die
vollständige Herrschaft über den Süden zu erhalten.
Berühmtes Opfer war Tipu Sultan, Sohn von Haider Ali. Als Tiger von Mysore hatte er heldenhaft Widerstand geleistet und das mit dem Leben bezahlt. Was hat er davon gehabt? Einen
Gedenkstein.


Vom alten Fort ist nicht viel erhalten geblieben, außer ein paar Mauern und die Folterkammer der Engländer.
Einer geht noch für heute. Schließlich sind wir ja nach einigen Tagen in der Natur relaxt und noch nicht wieder tempelmüde.
Srirangapatnas beeindruckendstes Gebäude ist der Sommerpalast. Wie schade, dass er mit grünen Tüchern verhängt ist und im Inneren leider Fotografierverbot herrscht. Das zweigeschossige
Holzgebäude steht in einer gepflegten Grünanlage. Eine Veranda mit geschnitzten Säulen umläuft den eigentlichen Palast. Im Inneren schön bemalte Holzwände und Türen.
ein Tempel zum Staunen
29.11.15


Abfahrt wie jeden Morgen um 8:00 Uhr. Der Weg bis Hassan ist nicht allzu weit und so können wir uns Zeit nehmen. Endlich hat auch unser Guide kapiert, dass es durchaus lohnenswerte Zwischenstopps gibt. Daher kommen wir heute in den Genuss eines Fotohaltes an einem Sonntagsmarkt. Besser spät, als nie.

Über solche Märkte könnte ich stundenlang schlendern. Manchmal glaube ich, wir sind eine nette Abwechslung für die Inder. Jeder spricht einen an, setzt sich in Pose (ohne dafür die Hand aufzuhalten) oder erklärt uns die exotischen Früchte.

Wie schön und ordentlich das Obst und Gemüse aufgebaut wird ist mir schon auf dem Markt von Mysore aufgefallen. Da wird gestapelt, geschält und die Zwiebeln von den losen Häuten befreit.
Besonders seltsam finde ich ja die Früchte, oder besser Knollen der Lotusblumen. Ob man die wohl kochen muss?

Auf dem Weg zum Bus begegnet mir dann noch diese schön geschmückte heilige Kuh.


Heute sind zur Abwechslung Hirsefelder unsere Begleiter. Scheinbar ist gerade Erntezeit, denn überall wird gemäht und gedroschen. Ob die Störche wohl auch ihren Teil ab haben wollen oder ob die auf etwas anderes warten?
Ob unser Guide jetzt die letzten zwei Tage nochmal alles gibt? Bisschen spät, wie ich finde, aber gut für uns.
Nächster Stopp ist in einem Dorf, wo die Hirse gedroschen wird. Kaum ist der Bus angehalten, steht wie aus dem Nichts die gesamte Jugend davor. Für die sind wir bestimmt auch eine nette
Abwechslung und die wundern sich sicher, warum wir alles fotografieren.
Am Nachmittag wird es dann wieder kulturell. Es stehen zwei Tempel auf dem Programm, die sich sehr von den bisherigen unterscheiden.
Zuerst besichtigen wir den Chennakeshvara-Tempel in Belur. Vishnuvardhana, sein Erbauer, war der erste bedeutende König der Hoysala-Dynastie. Eigentlich war er Jain, aber auch damals hat das
scheinbar schon mit der Bekehrung funktioniert. Jedenfalls konvertierte er zum Vishnuismus und wechselte seinen Namen. Erinnert mich ein wenig an Echnaton in Ägypten.

Unübersehbar steht daher auch ein Garuda im Innenhof, bereit seinem Gott und Herrn als Reittier zu dienen.


Zwei Dinge fallen mir hier sofort auf. Es fehlen die Tempeltürme. Ungeklärt ist, ob sie nie gebaut wurden, einem Erdbeben zum Opfer fielen oder irgendwann abgetragen wurden. Die zweite
Besonderheit ist der gezackte Grundriss. Dadurch hatten die Künstler mehr Platz sich auszutoben, als bei einem rechteckigen Tempel.
Austoben ist der richtige Ausdruck, denn der Tempel strotzt nur so von Skulpturen aus der Jain- und Hindu-Mythologie. Man bräuchte, glaube ich, Tage um sich die vielen Figuren und Geschichten genaustens zu betrachten.

Am Sockel befinden sich mehrere Friese mit Pferden,

Löwen ähnlichen Fabelwesen
und Elefanten. Diese haben es mir besonders angetan, denn kein Tier gleicht dem anderen.

Im Heiligtum ist (logischerweise) Vishnu zu finden. Der Versammlungsraum davor wird von gedrechselten Säulen getragen. An einer dieser Säulen zu erkennen das für dir damalige Zeit perfekte Frauenbild: großer Busen, schmale Taille, perfekte Füße – was will Mann mehr.
Keine 20 Kilometer entfernt finden wir den zweiten Tempel aus dieser Zeit, den Hoysaleshvara-Tempel in Halebid. Auch er ohne Tempeltürme und mit sternförmigen Grundriss.

50 Jahre soll es gedauert haben ihn fertig zu stellen. Wundert mich gar nicht bei der Fülle an Figuren in den Nischen (280 an der Zahl), die dem Betrachter die hinduistische Götterwelt mit all
ihren Bösartigkeiten und Wundertaten plastisch vor Augen führen.
Fast acht Meter hoch sind die Außenwände.
Da ist neben den Götterfiguren viel Platz für umlaufende Friese. Hier kommen zu den Elefanten, Löwen und Pferden, die wir ja schon aus Belur kennen, noch Blütenranken, Seeungeheuer und Gänse
dazu.
Im Gegensatz zu Belur handelt es sich hier um einen Doppelschrein, den man durch ein Krokodilstor betritt. Im Inneren zwei Lingams. Na, wer ist der Herr in diesem Tempel?


Kleine Hilfe: vor dem Heiligtum zwei Pavillons mit Nandi-Bullen. Wenn es mit dem schwanger werden nicht so recht klappen will, sollte man den liegenden Bullen an eine bestimmten Stelle des Hinterteils streicheln, dann wird sich der Nachwuchs einstellen.
Und für alle, die es immer noch nicht geschnallt haben: der mit dem Bullen und dem Männlichkeitswahn in Form von gigantischen Phallussymbolen ist Shiva.

ein luftbekleideter Herr
30.11.15


Unsere Rundreise durch Südindien nähert sich langsam ihrem Ende. Für die meisten geht es heute Abend bereits wieder Richtung Heimat. Nicht so für mich, denn ich werde noch ein paar Tage dran
hängen, um ein bisschen Natur zu erleben.
Kurz hinter Hassan erwartet uns noch ein letztes Highlight (sagt der Reiseführer) dieser Reise, wobei Highlight etwas weit hergeholt ist.
Wer durch Indien reist, sollte an Legenden glauben, denn die begegnen einem hier auf Schritt und Tritt. So auch in Sravanabelgola. Einst wütete in Ujain, der Heimatstadt des Heiligen Bhadrabahu
eine furchtbare Dürre, die ihn und 2000 seiner Anhänger zur Flucht veranlasste. Dabei kamen sie an einen Ort, der zwischen zwei Felsen lag. Erschöpft und am Ende seiner Kräfte entschloss sich der
Heilige auf einen der Berge zu steigen und sich zu Tode zu hungern. Ob die 2000 ihm wohl gefolgt sind? Jedenfalls ist für streng gläubige Jain körperliche Askese als Mittel zur Erleuchtung das A
und O. Aus diesem Grund ist der Chandragiri-Hügel auch ein bedeutender Pilgerort für sie.

Es handelt sich bei dem Hügel um ein Heiligtum und das bedeutet in Indien was? Richtig, Schuhe aus. Das wäre ja weiter nicht so schlimm, wenn einem jetzt nicht 618, in den harten Granit gehauene Stufen erwarten würden. Egal, da muss frau jetzt durch.
Auf halber Strecke kreisen schon die Geier über uns. Sind bei genauerem Hinsehen aber nur harmlose Adler und umkehren ist jetzt auch nicht mehr. Schließlich ist die Hälfte bereits geschafft und beim Genießen der Aussicht kann man auch Luft schöpfen.
Langsam kommt das Ziel zwar nicht in Sicht, aber je mehr man sich dem Gipfel nähert, desto häufiger passiert man kleine Tempelstätten.

Die letzten Stufen, die letzte Biegung und dann stehe ich vor ihm, dem luftbekleideten Herrn. Und dafür habe ich mich jetzt barfuß 618 Stufen hochgequält? Immerhin gibt es gegen einen Obolus die Segnung vom Priester (der ist aber nicht luftbekleidet). Die Statue ist übrigens aus der Spitze des Hügels herausgemeißelt, was die Anstrengung auch nicht unbedingt wett macht.
Runter geht es, wie immer, schneller und bald sitzen wir wieder im Bus Richtung Bangalore.
Dort verlasse ich die Gruppe und werde zum Hyatt gebracht. Den Transfer hat mir George Scaria (Direktor bei Kerala Voyages) organisiert. Lieber bezahle ich ein paar Rupies mehr, kann aber Diskussionen über den Fahrpreis entgehen und weiß, dass ich dort ankomme, wo ich hin möchte.
Kerala Voyages haben übrigens auch die Organisation der Reise vor Ort übernommen und haben das wirklich super gemacht. Fürs Wetter können die ja auch nichts, aber die kurzfristige Umorganisation von Fußmarsch in Jeepfahrt wegen Regen am Lake Periyar fand ich richtig gut.

Die nächsten Tage bin ich dann wieder auf mich gestellt. Ist aber kein Problem für mich. Bisher habe ich das indische Englisch noch immer irgendwie verstanden und nicht alle indischen Männer sind
böse...